Sonntag, 15. Mai 2016

Pfingsten in der Wies

Ich kenne die Wieskirche. Heute soll dort in einem Gottesdienst der Allgäuer Bauernchor singen, der vom Sohn meines Jugendfreundes geleitet wird. Also nichts wie hin!

Die Kirche ist mehr als gut besucht, wir sind wohlweislich zu früh gekommen und warten in dem kalten Kirchenraum. Nette Begrüßung durch den Pfarrer. Dann bald das "Kyrie eleison!", das mich in seinen Bann zieht. Ich singe mit, fühle mich unversehens ins vierte oder fünfte Jahrhundert zurückversetzt, damals hat man den kaiserlichen Herrscher mit "kyrios" angesprochen und besungen. Und immer wieder, in unterschiedlicher Form, die Bitte um Vergebung: Schau gnädig auf uns Sünder ... "Supplices te rogamos", hat man früher gebetet. Und noch früher haben Menschen dem Herrscher, dem man, ob Kaiser oder Lehensherr, ausgeliefert war, in ähnlicher Weise gehuldigt und versucht, ihn gnädig zu stimmen. All das schwingt im Ritus noch mit, auch wenn man versucht hat, ihn mit der Mahlfeier, um die Jesus zu seinem Gedächtnis gebeten hat, in Einklang zu bringen.

Und plötzlich sehe ich die Wieskirche "Zum gegeißelten Heiland" mit anderen Augen.

Der Gegeißelte ist da, eine schön gestaltete, farbige Figur am Hochaltar. Man hat ihn, den Gegeißelten, in ein goldenes Kästchen eingesperrt und dann drum herum das wunderschöne, prunkvoll-überladene Gotteshaus gebaut. Das Mittelschiff ist umstanden von vier überlebensgroßen weißen Marmorfiguren, ein Kardinal, zwei Bischöfe, ein Papst, wenn ich recht interpretiere. Blutleere Gestalten, in neckisch-eitler Pose, überhöht an den Säulen. Das alles ist ein Sinnbild für den Zustand der katholische Kirche!

Der Pfarrer hat eine gute Stimme, er singt schön, spricht gern, wie mir scheint. Die Predigt eher wenig hilfreich, kaum etwas bleibt im Gedächtnis. Später dann, nach dem Vaterunser, der Friedensgruß. Man gibt seinen Nachbarn in den Kirchenbänken die Hand, nimmt sie im Grunde erst jetzt zur Kenntnis, nachdem man bislang ausschließlich nach vorn orientiert war. Warum kommt diese Geste nicht gleich am Anfang der Messe, wo sie im Grunde hingehört? Die Kommunion. Priester und Helfer am Altar nehmen die Hostien und trinken vom Wein. Dann wird an das "gläubige Volk der Erlösten" ausgeteilt. Sie werden abgespeist ... Das ganze soll eine Mahlfeier sein.

Wir hingegen, durchgefroren, verabschieden uns von den Nachbarn und verlassen den Kirchenraum. Ich bereue die Fahrt in die Wies nicht, mir sind die Augen aufgegangen.

......

Zu Hause dann ein paar schöne, anregende Telefonate. Und am Abend hören meine Frau und ich (via Audiodatei) eine Pfingstpredigt von Jürgen Werth, Bautzen, den ich von Twitter her kenne. 







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