Montag, 30. November 2015

Bitte nicht stören

Vor vielen Jahren war ich auf Grund eigener Entscheidung an Weihnachten allein. Aus einer Laune heraus frage ich in einer Abtei, ob dort ein Aufenthalt über die Feiertage möglich wäre. Ich telefoniere mit einem Frater, mit dem ich nach einem früheren sehr schönen Aufenthalt ("Kloster auf Zeit") noch in losem Kontakt war. Seine kurze Antwort: Nein. An Weihnachten wollen wir unter uns sein.

An diese kleine und im Grunde belanglose Erfahrung habe ich mich im Zusammenhang mit der Diskussion über die vielen Flüchtlinge wieder erinnert. Auch die Flüchtlinge suchen einen Unterschlupf, auch sie stören das behagliche Zusammensein im Lande, auch sie sollen draußen bleiben.

Ein Testfall für Weihnachten?





Samstag, 28. November 2015

Wie ein Mann ...

Der Papst in Kenia: Flammende Rede in einem Armenviertel [NZZ]
Diese Welt lädt schwere Schuld auf sich. [katholisch.de]
Papst fordert Führung in Uganda zur Rechtschaffenheit auf. [katholisch.de]

Der Papst, ein Mann der Tat und der klaren Worte, nimmt auf seiner Afrika-Reise kein Blatt vor den Mund. Er scheut sich nicht, den Machthabern ins Gewissen zu reden.

Wirklichkeitstest Weihnachten [katholisch.de]

Auch die deutschen Bischöfe tun etwas, nehmen sich des Flüchtlingsproblems an. Doch vermisse ich eine klarere Unterstützung der Position der Kanzlerin. Sie müssten aufstehen "wie ein Mann" und Stellung beziehen, auch auf die Gefahr hin, sich unbeliebt zu machen. Der Papst scheut diese Gefahr in Afrika jedenfalls nicht.








Freitag, 27. November 2015

Der Abwasch

Spülen Sie das Geschirr in entspannter Haltung, so als sei jede Schale ein Gegenstand Ihrer Betrachtung. Behandeln Sie jeden Teller als etwas Heiliges. Folgen Sie Ihrem Atem, damit Ihr Geist nicht abschweift. Geraten Sie nicht in Eile, um die Arbeit hinter sich zu bringen. Betrachten Sie den Abwasch in diesem Augenblick als das Wichtigste auf der Welt. Abwaschen ist Meditation. Wenn Sie nicht achtsam abwaschen können, gelingt es Ihnen auch nicht zu meditieren, wenn Sie still sitzen.

[Thich Nhat Hanh: Das Wunder der Achtsamkeit]





Donnerstag, 26. November 2015

Mystiker

Mystiker hat es immer gegeben, zu allen Zeiten und in allen Religionen. In der "Kirche" hatten sie oft Probleme, sie waren nicht orthodox genug. Einer der größten Mystiker des 20. Jahrhunderts ist wohl Eckhart Tolle.

Bruder Lorenz von der Auferstehung aus Lothringen, erst Soldat im dreißigjährigen Krieg, später Karmeliter, lebte im 17. Jahrhundert. "Sein" Thema war die Vergegenwärtigung Gottes. Seine einfache Übung, sich der Präsenz Gottes bewusst zu sein, spricht mich sehr an. Bruder Lorenz als Mystiker wird der Gefahr, Gott als von sich getrennte "Entität" zu sehen, sicherlich nicht erlegen sein.

[R. Körner: Im ständigen Umgang mit Gott. Fundstelle]

Die Kirche als Institution könnte von Mystikern viel lernen. Nein, nicht: könnte! Sie muss von ihnen lernen, denn die Kirche der Zukunft wird eine mystische sein oder sie wird nicht mehr sein (K. Rahner).








Mittwoch, 25. November 2015

Erleuchtung

Das Geheimnis der Erleuchtung heißt: iss, wenn du hungrig bist, schlaf, wenn du müde bist. 
Der Zen-Meister ermahnt: Begegnest du dem Buddha, so töte ihn. Diese Mahnung weist darauf hin, dass kein Sinn, der von außerhalb unserer selbst kommt, wirklich ist.
Wir haben alle die Buddhaschaft schon, wir müssen es nur wahrnehmen. Philosophie, Religion, Patriotismus sind leere Götzen; der einzige Sinn, den unser Leben hat, ist der, den wir selbst ihm geben. Den Buddha töten heißt, die Hoffnung zerstören, dass irgend etwas außer uns selbst unser Meister sein kann. Keiner ist größer als irgendwer sonst.

[Sheldon B. Kopp: Triffst du Buddha unterwegs ... Psychotherapie und Selbsterfahrung]





Dienstag, 24. November 2015

Pecunia non olet

Pecunia non olet sagte man im alten Rom. Im neuen Rom und seinen Außenstellen scheint das noch immer zu gelten. 

Kaum sind die deutschen Bischöfe aus Rom zurück, werden pikante Details aus der Diözese Augsburg bekannt. Im Augsburger Dom, so verkündet Bischof Zdarsa gut gelaunt, soll ein 20 Jahre alter Bronze-Altar durch ein 300.000 Euro teures Steinensemble ersetzt werden. Wenige Tage zuvor hatte eben dieser Bischof die katastrophalen Verhältnisse in einer menschenunwürdigen Flüchtlingsunterkunft kritisiert. Auf die Idee, hier Geld zu investieren, kam er nicht.

[Süddeutsche]

Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung hat das Bistum Augsburg in den vergangenen Jahren einer einzelnen Künstler-Werkstatt Aufträge in Höhe von mehr als 1,4 Millionen Euro erteilt, ohne eine öffentliche Ausschreibung vorgenommen zu haben. "Ein Hauch von Limburg" schreibt die Zeitung. Usw. usf.

[Süddeutsche]

Geld mag zwar nicht stinken. Das Finanzgebaren mancher Diözesen hingegen stinkt zum Himmel.





Montag, 23. November 2015

Tradition

Jeden Abend, wenn der Guru sich zur Andacht niederließ, pflegte die Ashram-Katze herumzu-streunen und die Beter abzulenken. Also ließ er die Katze während des Abendgottesdienstes anbinden.
Lange nach dem Tode des Gurus wurde die Katze stets während des Abendgottesdienstes ange-bunden. Und als die Katze schließlich starb, wurde eine andere Katze in den Ashram gebracht, so dass man sie ordnungsgemäß während des Abendgottesdienstes anbinden konnte.
Jahrhunderte später schrieben die Schüler des Gurus gelehrte Abhandlungen darüber, welch wichtige Rolle eine Katze in jedem ordentlich gestalteten Kult spiele.

[Anthony de Mello: Warum der Vogel singt]





Sonntag, 22. November 2015

Welchen Weg soll ich gehen?

"... wenn ihr es nicht rigoros auf die Probe stellt, erwartet ihr, dass eine aussichtsreiche Sache sich einstellt, solange ihr einem bestimmten Weg folgt. Aber es gibt keinen zuverlässigen Weg, der immer existiert. Es ist kein Weg für uns bereitet. Augenblick für Augenblick haben wir unseren eigenen Weg zu finden. Irgend eine Vorstellung von Vollkommenheit oder irgendein vollkommener Weg, der von jemand anderem vorgezeichnet wurde, das ist nicht der wahre Weg für uns."

[Shunryu Suzuki: Zen-Geist Anfänger-Geist. Unterweisungen in Zen-Meditation]

Wie passt das zusammen mit dem Satz von Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben? 

Ich sehe keinen Widerspruch. Denn ich kann Jesus nicht imitieren. Ich kann ihn anschauen, muss aber meinen Weg auf meine eigene Weise gehen. Nein, so ist es nicht ganz richtig. Ich muss nicht meinen Weg gehen, ich brauche nur zu gehen. Es gibt keinen Weg, nur Gehen, sagte Joachim Ernst Behrendt.



Samstag, 21. November 2015

Moral des Westens?

Die Versuchung, die Grenzen zu schließen und das Ende der Willkommenskultur zu verkünden, ist mit Händen zu greifen. Aber nicht nur die Moral, auch die politische Klugheit verbietet diesen Kurzschluss. Er würde bestätigen, dass Europa seine sittliche Substanz verloren hat und moralisch entkernt ist. Dass es nur eines äußeren Anstoßes bedarf, um die Mauern eines dysfunktionalen Systems zum Einsturz zu bringen. ...
Europa kann der heutigen Welt kein geschlossenes Bild mehr von sich vermitteln. Schwindet die Nächstenliebe, ist auch das Prinzip der gleichen Freiheit gefährdet. ...
... bietet der Flüchtlingsstrom mit seinem Zwang zur Integration dem Westen die Chance, sich der moralischen Tiefe seiner eigenen Tradition wieder neu zu vergewissern, den offenkundigen Makel des Kapitalismus zu korrigieren, statt den Liberalismus vor den Augen der muslimischen Fundamentalisten zur bloßen Permissivität und zu einem achselzuckenden Werterelativismus verkommen zu lassen.

[Romen Leick: Die Macht der westlichen Moral. Spiegel 48/2015]

Vergleichbares ist mir von den Bischöfen bisher nicht erinnerlich.



Freitag, 20. November 2015

Wer wird denn verzagt sein!

Die deutschen Bischöfe waren beim Papst zu ihrem ad limina Besuch. Zum Abschied sagte Ihnen der Papst u.a., die Kirche in Deutschland solle die lähmende Resignation überwinden und nicht auf die 'gute alte Zeit' setzen.

Hough, er hat gesprochen.

Wenn das keine Sprengladung ist. Der Papst weiß sehr genau, wovon er spricht. Glückwunsch dazu!

[Twitter]





Donnerstag, 19. November 2015

Heiler

Jesus ist in Palästina als Wanderprediger aufgetreten, und er war ein Heiler. Unser Pfarrer hat ihn im Religionsunterricht immer als Heiland bezeichnet. Jesus war ein Heiland, hat die Menschen von physischen, psychischen und spirituellen Gebrechen geheilt. Seinen Anhängern, die ihn bewundert haben, gab er zur Antwort: Solche und noch größere Dinge könnt auch ihr vollbringen. Und sie konnten es, wenn man den Berichten glauben mag.

Wo sind die heilerischen Qualitäten, wo sind die Heiler in der Kirche von heute? Müssten nicht die hohen Amtsinhaber diese Fähigkeiten haben oder versuchen, sie in sich auszubilden? Statt dessen hat man sich auf die Ratio verlegt und darauf, "die Lehre rein zu erhalten". Von den Auswüchsen im Mittelalter ganz zu schweigen.

Um es plakativ zu sagen: Heute wird in der Kirche nicht mehr geheilt, sondern es wird vielfach Leid zugefügt, krankmachendes Leid.





Mittwoch, 18. November 2015

Gotteserfahrung

Während der traditionelle Glaube immer mehr schwindet, kann man auf einer tieferen Ebene ein großes Verlangen nach Gott beobachten, und das oft gerade bei Menschen, die, obwohl ursprünglich oder ihrer Herkunft nach christlich, den inneren Kontakt mit jeder Kirche verloren haben. ...
Es ist wohl kein Zweifel, dass nur die Glaubens-erfahrung, genauer gesagt, die Gotteserfahrung diese Menschen zum Ziel führen kann. ...
Der Mensch muss sich selber darum bemühen, wenn und soweit das von seiner Seite her möglich ist, und sollte es nicht dem 'Zufall' überlassen, ob ihn dieser Strahl trifft. ...
Ein solches Bemühen ist tatsächlich möglich und auf dem Wege der Meditation sogar aussichtsreich. ...

[Hugo M. Enomiya-Lassalle: Meditation als Weg zur Gotteserfahrung]





Dienstag, 17. November 2015

Frömmigkeit

Eine Frau erzählte, als sie sich wie gewohnt zur Meditation gesetzt hatte, sei ihr bewusst geworden, dass sie unwillkürlich die in der Kindheit gelernte Haltung der Ehrfurcht eingenommen habe. Und dann sei es ihr fast so gewesen, als würde Gott sagen: Warum tust du denn so fremd?

Schöner kann man kaum zum Ausdruck bringen, dass Frömmigkeitsübungen - seien es Haltungen, Rituale, Gottesdienste - nicht unbedingt zu Gott hinführen, sondern eher weg von ihm.

Ach ja, dass ich es nicht vergesse. Die Frau, die mir diese Erfahrung anvertraute, ist nicht irgendeine Frau, sie ist meine Frau.





Montag, 16. November 2015

Teresa

Nichts verwirre dich,
nichts erschrecke dich,
alles vergeht.
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erreicht alles.
Wer sich an Gott hält,
dem fehlt nichts.
Gott allein genügt.


Das Gebet einer großen Mystikerin, das, recht verstanden, gut in unsere Zeit passt.

[Teresa von Avila]





Sonntag, 15. November 2015

In brennender Sorge

45 bayerische Ordensobere haben in einem offenen Brief scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik von Horst Seehofer geübt. Sie wenden sich damit gegen Botschaften, die suggerieren, dass unsere Gesellschaft mit den Flüchtlingen überfordert ist und verwenden sogar ein Zitat aus einer Enzyklika von Pius XI. Dies soll ihre große Sorge deutlich machen, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippt.

[Fundstelle]

Hätte dieser Brief oder eine vergleichbare Botschaft nicht auch von den Bischöfen kommen müssen? Mir ist keine entsprechende Aktion bekannt. Doch weisen die Bischöfe Finanzminister Söder gegenüber die Vorwürfe zurück, sie wollten mit der Vermietung von Flüchtlingsunterkünften Geld verdienen.

Geld ist ihnen also wichtig. Und auch noch das heilige Jahr, denn sie rufen die Gläubigen zur Mitfeier auf, um Gott und den Mitmenschen näher zu kommen.(sic!)

[Fundstelle]
[Fundstelle]





Samstag, 14. November 2015

Terrorismus

Neuer Terror in Paris, Attentate des IS fordern mehr als 120 Todesopfer und mehrere Hundert Verletzte. Gestern Abend. Weltweite Empörung. Hilfslosigkeit angesichts einer Bedrohung, die jedes Land, jede Stadt, jeden Bewohner treffen kann ... Eine Situation, die jene Syrer, die in Europa Hilfe suchend umherirren, nur zu gut kennen.

Die Terroraktionen zeigen, wohin falsch verstandener Glaube - Pseudoglaube - führen kann und schon oft geführt hat. Ein Glaube, der nicht das Verbindende, sondern das Trennende betont: Wir allein sind im Besitz der Wahrheit. Die "anderen", die "Ungläubigen" darf, ja muß man vernichten.

Wieviel muß noch geschehen, bis die Menschheit aus ihrem Traum erwacht und beginnt reifer zu werden?






Freitag, 13. November 2015

Ausgeschlossen

Ein allgemein bekannter Sünder wurde exkommuniziert. Man verbot ihm, die Kirche zu betreten.
Er klagte Gott sein Leid. "Sie wollen mich nicht hineinlassen, Herr, weil ich ein Sünder bin."
"Warum jammerst du", sagte Gott. "Mich lassen sie auch nicht hinein."

[Anthony de Mello: Warum der Schäfer jedes Wetter liebt]





Donnerstag, 12. November 2015

Amtsträger

Der neutestamentliche Amtsträger ist dadurch gekennzeichnet, daß er sich nicht als 'Mittler zwischen Gott und den Menschen' weiß (das ist die Funktion Christi ...), sondern als Presbyter (Ältester), Diakon (Diener), Apostel (Gesandter), Episkopus (Vorsteher) - also als Mitarbeiter am Heil der Gemeinde. ...
Im Laufe der Zeit jedoch erfolgte eine Sakralisierung und Verkultisierung des Amtes, die dem ursprünglichen Verständnis entscheidend zuwiderlaufen ...
Ein Symptom dieser Entwicklung war es, daß sehr bald aus dem 'heiligen Volk Gottes' (griechisch laós) die 'Nichtfachleute' wurden, die in allen religiösen Belangen entscheidend auf die Vermittlung durch die Priesterschaft angewiesen waren. Das Magische liegt hier darin, daß einerseits der Priester in den Augen des gläubigen Volkes immer mehr die Züge eines Medizinmannes erhielt, der über das Göttliche verfügt, der die 'Schlüssel des Himmelreiches' besitzt und die Macht hat, endgültig zu 'binden' und zu 'lösen' ...

[Gottfried Hierzenberger: Der magische Rest. Ein Beitrag zur Entmagisierung des Christentums]





Mittwoch, 11. November 2015

Der Kanzler

Gestern um 14:30 Uhr ist Helmut Schmidt gestorben, hochbetagt mit 96 Jahren.

In seinem letzten Buch "Was ich noch sagen wollte" schreibt er kurz über die Religionen.

"Für sämtliche Weltreligionen gilt, daß sie den Menschen Pflichten auferlegen. Keine der großen Religionen garantiert den Menschen Rechte ..."

"... die Religion eignet sich von jeher besonders gut zur emotionalen Mobilisierung von Massen. Der Dreißigjährige Krieg, den Christen gegen Christen mitten in Europa geführt haben, wurde allein wegen der machtpolitischen Interessen der beteiligten Staaten geführt."

"Die Vorstellung, daß das Heil einer Religion in ihrer möglichst umfassenden Verbreitung liegen soll, war mir immer fremd. Heute halte ich sie für zunehmend gefährlich. Und immer wieder habe ich die Erfahrung machen müssen, daß insbesondere viele Theologen sich nicht durch Toleranz gegenüber den Vertretern anderer Religionen auszeichnen. Das gilt für die Theologen fast aller Religionen ..."





Dienstag, 10. November 2015

Gerechtigkeit?

Es gibt keine Gerechtigkeit, sagte uns ein Anwalt allen Ernstes, es gibt nur Richtersprüche.

Bezogen auf die Kirche klingt das so: Es gibt keinen Glauben, es gibt nur Dogmen und Beharren auf früheren Verlautbarungen, genannt Tradition.

Genau das ist es, was die Kirche in ihrer Gesamtheit so unglaubwürdig macht. Und genau das ist es, was der jetzige Papst ändern will.







Montag, 9. November 2015

Volksfrömmigkeit

Vor vielen Jahren Flug nach Portugal zu einer Busreise von Lissabon nach Santiago de Compostela. Auch in Fatima wird Station gemacht. Ich "besuche" den großen Gottesdienst im Freien, genauer: Ich mische mich unter die Menge, stehe da und beobachte. Es ist heiß, es dauert lang, aber ich halte durch. Am Anfang war eine Marienstatue hereingetragen worden, nach Ende des Gottesdienstes heben sie einige Männer auf die Schultern und tragen sie - die Statue schwankt nur leicht - wieder hinaus. Da wird das Lied "Ave, ave ..." angestimmt, und die Menschen singen und winken mit kleinen weißen Tüchern der Statue hinterher. Sie winken so lange, bis die Marienstatue nicht mehr zu sehen ist.
Diese Szene am Schluß ist mir gut in Erinnerung geblieben, sie hat mich angerührt. 





Sonntag, 8. November 2015

Unbewußtheit

Wir sind im Stande, zwischen einem Himmelsabgrund über unserem Kopf und einem leicht zugedeckten Himmelsabgrund unter den Füßen, uns auf der Erde so ungestört zu fühlen wie in einem geschlossenen Zimmer.

[Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften]




Samstag, 7. November 2015

Wer denkt hier nicht an Augias?

"Auch in der Kirche gibt es Menschen, die sich an der Kirche bedienen, statt an die anderen zu denken", sagte der Papst gestern bei der Morgenmesse. ...
Der emeritierte Kurienkardinal Velasio De Paolis (80) hat auf die Medienberichte über angebliche Geldverschwendung um Vatikan reagiert. Nach Kritik an der Größe seiner Wohnung erklärte er sich bereit, in eine kleinere umzuziehen, falls Papst Franziskus dies wünsche. "Wenn mich der Papst morgen bittet, mein Appartement zu verlassen und in ein Kloster oder ein Zimmer des vatikanischen Gästehauses Santa Marta umzuziehen, wie er selbst es getan hat, gehorche ich und bedanke mich sogar", sagte De Paolis im Interview der Tageszeitung "La Stampa" ...

Der geneigte Leser wundert sich. Warum muß der Papst erst darum bitten, der hohe Herr könnte oder müßte selbst den Entschluß fassen umzuziehen.

 [Quelle]




Freitag, 6. November 2015

Ein bemerkenswerter Mann

Papst Franziskus ist ein bemerkenswertes Mann. In "Begegnung & Gespräch" III/2015 finden sich folgende Zitate:

Niemand wird ihn verbiegen, auch die Kurie nicht. [Santiago de Estrada]

Wie er sich Problemen annähert und sie anpackt, das zeugt von einer Naturbegabung. [Alejandro Russo]

Möge Gott euch vergeben, was ihr getan habt. [Franziskus zu den Kardinälen]

Wenn man das Böse, das man getan hat, nicht anerkennt, entzieht man sich der Verantwortung. [Jorge Maria Bergoglio]

Bergoglio ist lateinamerikanische Leidenschaft. [Abraham Skorka]

Am 6. November 2015 wird Franziskus wie folgt auf Twitter zitiert:
Eine Kirche, die auf Geschäftemachen fixiert ist, dient nicht, sondern benutzt andere.



Donnerstag, 5. November 2015

Poesie

Wie rasch vergeht doch alles, was vergeht!
Wie jung verstirbt doch alles vor den Göttern!
     Und alles ist wo wenig!
Nichts wissen wir, und Phantasie ist alles.
Umkränz mit Rosen dich und trink und liebe
     und schweig. Der Rest ist nichts.

[Ricardo Reis alias Fernando Pessoa]





Mittwoch, 4. November 2015

Wie heilig ist der Stuhl?

Es gibt ein neues Buch des italienischen Journalisten Nuzzi mit beunruhigenden Enthüllungen über schmutzige Geschäfte und Privilegien im Vatikan, über inoffizielle Bilanzen, aus denen Korruption und kriminelle Machenschaften hervorgehen.
[vaticaninsider]

In Nuzzis Buch geht es um Geldgier im Vatikan, um Missmanagement - und um den Widerstand gegen die von Papst Franziskus angestoßenen internen Reformen.  ... In einigen Fällen gewährt der Vatikan demnach Kardinälen oder Bürokraten Mieten, die 30 bis 100 Prozent unter dem ortsüblichen Marktdurchschnitt liegen. Statt der derzeit registrierten 6,2 Millionen Euro könnten ohne diese Rabatte etwa 191,4 Millionen eingenommen werden, schreibt Nuzzi. Einigen Kardinälen seien Apartments kostenlos überlassen worden - als Teil ihrer Gesamtvergütung oder eines Ruhestandspakets ... Ferner geht es um das lukrative Geschäft, das hinter Selig- und Heiligsprechungen steht ... der Autor schätzt, dass der durchschnittliche Preis für eine Seligsprechung bei etwa 500 000 Euro liegt ...
[Süddeutsche]

Wie sagte man früher nach der Verlesung des Evangeliums: So weit der heilige Text. Hier paraphrasiere ich: So weit die beschämenden Texte.






Dienstag, 3. November 2015

Einheit

Die Erde ist nicht einfach unsere Umwelt, sondern wir SIND die Erde. Die Erde und wir sind eins. 
[Thich Nhat Hanh] 

Wir sind ein Teil der Erde.
[Häuptling Seattle]

Du bist nicht im Universum, du bist das Universum, bist ein essentieller Teil von ihm. Im letzten bist du nicht eine Person, sondern ein Brennpunkt, an dem das Universum sich seiner selbst bewußt wird.
[Eckhart Tolle]

Sie alle sprechen von derselben Erfahrung. 

Im Alten Testament hingegen steht: Macht euch die Erde untertan! Was für eine Anmaßung, was für ein Zeichen der Blindheit. Die Testamentsvollstrecker waren fleißig, haben ganze Arbeit geleistet. Und sind stolz darauf.





Montag, 2. November 2015

Option für die Reichen?

Option für die Reichen ist ein Artikel von Hildegard Willer in Weltsichten v. 31. Oktober 2014 überschrieben. Steht Gott auf der Seite der Reichen oder der Armen, lautet ihre Eingangsfrage. Es geht u.a. um die Theologie der Befreiung, die unter dem neuen Papst an Akzeptanz gewonnen habe. Doch entzünde sich der theologische Disput in Lateinamerika heute weniger an der Befreiungstheologie, sondern an der Ausbeutung der Naturschätze.

Wie positioniert sich die Kirche? Option für die Reichen oder Option für die Armen, ist wohl nicht mehr die grundsätzliche Frage. Ich möchte die Frage nach Abschluß der Synode anders formulieren: Option für die Tradition oder Option für die Menschen? Eine Mehrheit der hohen Würdenträger steht allem Anschein nach eher auf Seiten der Tradition.





Sonntag, 1. November 2015

Allerheiligen

Wer ist ein Heiliger? Schwierige Frage, wer mag sich ein Urteil erlauben. Bei einer Reihe von Verstorbenen bin ich mir subjektiv sicher, daß sie als "heilig" gelten können, bei Pater Rupert Mayer zum Beispiel. Mit anderen sogenannten Heiligen tue ich mich schwer, etwa mit dem im Expresstempo (santo subito!) kanonisierten Papst Wojtyla. Vielleicht, weil er die Befreiungstheologie ausgebremst hat oder weil ich ihn ohnehin nie gemocht habe?

Wie steht es mit Martin Luther, hat nicht auch er das Zeug zum Heiligen? Er hat die Kirche von Ballast befreit, ist zu seinem Glauben und seiner Überzeugung gestanden. Hat oder besser: hätte zur Entweltlichung der Kirche maßgeblich beigetragen. Aber die "Kirche" hat es nicht begriffen, hat ihm den Prozeß gemacht, hat ihn exkommuniziert. Hat damit auf Grund ihrer Unbeugsamkeit ein Schisma in Kauf genommen. Und betet noch heute "um die Einheit der Christen", womit sie die Unterwerfung unter die Oberhoheit des Papstes meint.