Freitag, 30. September 2016

Twitter päpstlich

Ein Papst sollte nicht twittern, weil diese Form keine komplexen Gedanken erlaubt, meint Martin Mosebach. [Fundstelle] Der Papst müsse die ganze Fülle der Lehre und Tradition darstellen.

Ich bin der Meinung: Ganz im Gegenteil. Warum soll ein Papst sich nicht auch auf Twitter äußern?

So hatte ich mich als Follower des Papstes eingetragen, habe eine ganze Reihe seiner "Kurznachrichten" gelesen, war enttäuscht und bin es schließlich leid geworden. Denn ich empfand sie als permanente Wiederholungen der schon immer verkündeten Katechismusformeln, als im Grunde blutleere Statements. Mein Eindruck war, als habe er seine Botschaften nicht einmal selbst geschrieben, sondern als habe er das Twittern einem Kurialtheologen übertragen. 

Was ich vermisse, sind wirklich persönliche Äußerungen des Papstes. Nur was aus dem Herzen kommt, kann zu Herzen sprechen. Ich brauche auf Twitter nicht "die ganze Fülle der Lehre und Tradition". Wie kommt es, dass ein Dalai Lama den Leser mehr ansprechen kann als der Papst?

Warum zitiert der Papst nicht gelungene Formulierungen aus seinen verschiedenen Veröffentlichungen?

Und vor allem: Warum geht der Papst, wenn er schon auf Twitter präsent sein will, nicht auf die verschiedenen Antworten von Nutzern, auch wenn sie manchmal polemisch sind, ein? Warum bekommt man von ihm (oder von twitternden Bischöfen) keine Antwort? Er könnte einen Blog einrichten, in dem er mit interessierten Lesern wirklich ins Gespräch kommt. 

Die hohen Herren sind es nicht gewöhnt, spontane Antworten zu geben, das Predigen ist viel einfacher.
Doch wer meint, er brauche nur zu predigen, kommt nicht mehr an, erreicht die Menschen jedenfalls nicht. Schade drum.























Dienstag, 27. September 2016

Frauen in der Kirche

In Rom findet ein Symposium zur Rolle der Frau in der Kirche statt, Veranstalter ist die Glaubenskongregation (!). Es gehe darum, sagt ein führender Kirchenmann, die Vergangenheit ins Auge zu fassen, um dann zu den Herausforderungen der Gegenwart zu kommen.

Zu diesen Herausforderungen gehöre die Frage, welchen Platz eine "in vielerlei Hinsicht von Männern dominierte Kirche den Frauen zuzugestehen gedenkt".

Ein bisschen Phantasie brauche es da, sagt Erzbischof Ferrer. Wir wissen, dass sich die Welt ändert und dass auch wir uns ändern müssen ... (Fundstelle)

So weit, so vorläufig. Ein bisschen Phantasie! Vielleicht sogar ein bisserl mehr davon? Nein, Phantasie wird nicht reichen. Man muss das auch wollen. Wirklich wollen. 

Wenn man etwas will, wird sich immer ein Grund dafür finden. Wenn man etwas nicht will, auch.


Nachtrag am 2.11.2016
Inzwischen ist klar, dass man, sprich: dass die Kurie nicht will. Wohlfeile Gründe hat Wojtyla geliefert. Das ist gut, so braucht man nicht selber nachzudenken.




















Montag, 26. September 2016

Investitur anno 2016

"Gerade feiert Großprior Kardinal Reinhard Marx in Bonn die Hl. Messe zur Herbstinvestitutur der Ritter vom Hl. Grab zu Jerusalem", heißt es in einem Tweet.

Der geneigte Leser wundert sich und liest den Text nochmals. Investitutur? Gibt es nicht, es muss Investitur, also Einsetzung in ein Amt, heißen. Ritter vom heiligen Grab werden in ihr Amt eingesetzt, und die Einsetzung nimmt ihr Großprior vor.

Einige Ritterorden sind in Großpriorate eingeteilt, denen jeweils ein Großprior vorsteht, kann man bei Wikipedia nachlesen. Kardinal Marx steht der Mitteilung nach also einem Großpriorat der Ritter vom Hl. Grab vor. Und zur Einsetzung der Ritter vom Hl. Grab wird vom Kardinal eine Messe gefeiert. So weit, so unklar.

Was ist eine Messe, auch Eucharistiefeier, Messopfer, Herrenmahl genannt? Sie geht zurück auf die Aufforderung Jesu: "Tut dies zu meinem Gedächtnis", ist also eine Mahlfeier zur Erinnerung an Jesus. Später haben Theologen u.a. gesagt, in der Messfeier werde der Kreuzestod Christi "gegenwärtig gesetzt" ... 

Heute werden Messfeiern nicht nur für die oder mit der "Gemeinde" gefeiert, sondern auch dann, wenn der Schützenverein ein neues Banner bekommt, das geweiht werden soll, oder wenn die Feuerwehr ihr 75jähriges Jubiläum begeht ... oder auch wenn die Ritter eines Ritterordens in ihr Amt eingeführt werden. 

Das mag den Unbeteiligten doch etwas seltsam anmuten. Fast kann man den Eindruck gewinnen, als sei die Messe unter der Hand zu einer Art Folklore geworden.





[Bild von katholisch.de]















Freitag, 23. September 2016

Zölibatisches

Wieder hat sich einer zu Wort gemeldet, diesmal der "Liturgie-Experte" Monsignore Haunerland, und sich gegen die Abschaffung des Pflichtzölibats ausgesprochen. Hätte man was anderes erwarten können?

"Die Bereitschaft, sich zum Priester weihen zu lassen, schließe den Willen ein ... auch sich selbst in den Dienst nehmen zu lassen." Nachzulesen hier. Das müsse auf irgendeine Weise konkret im Leben erfahrbar werden, und an diesen Anspruch erinnere die zölibatäre Lebensform ... Diese und weitere oft gehörte Weisheiten (wie zum Beispiel die Verfügbarkeit für den Dienst am Menschen) gab der Professor von sich.

Gewiss mag es Menschen geben, die zu zölibatärer Lebensweise berufen sind. Doch das Gros der Geweihten ist das sicherlich nicht. Jesus hat nicht von ungefähr auch Verheiratete als Apostel in seine unmittelbare Nachfolge gerufen. Waren diese etwa weniger qualifiziert? Er hat nie davon gesprochen, dass sexuelle Enthaltsamkeit eine "conditio sine qua non" wäre. Und er war alles andere als weltfremd. Das Gegenteil ist der Fall: Sexualität ist die conditio sine qua non, denn so ist der Mensch von Gott erschaffen worden. Wie viele der Geweihten leben wirklich zölibatär? Die Kirchenleitung müsste eine Erhebung durchführen - und würde sich gewiss wundern. 

Hat der Monsignore einmal darüber nachgedacht, dass dem zölibatären Menschen, wenn er seinem Versprechen denn auch treu bleiben kann, eine wesentliche Seite seines Mensch-Seins fehlt? Hat er überlegt, dass der Pflichtzölibat ein Eingriff in die persönliche Freiheit und in das Menschenrecht auf Eheschließung ist? Wird der Priesterstand als "herausgehobene" Lebensform, das Eheleben hingegen als untergeordnet betrachtet? Hat er an die vielen Frauen gedacht, die mit Priestern in einer engen eheähnlichen Beziehung leben, weltweit? Hat er an die Kinder gedacht, die aus solchen Beziehungen hervorgehen? 

Die Bischofskonferenz, so heißt es, habe auf ihrer jüngsten Tagung in Fulda nur wenig über diese Thematik gesprochen. Das Eisen ist zu heiß. Und die "klarkantigen" Bischöfe klammern das erst mal aus.

Warum sprechen Theologen sich so eilfertig für die Beibehaltung des Zölibats aus? Geht es etwa um "vorauseilenden" Gehorsam gegenüber der Kirchenleitung? Oder handelt es sich um eine Art "Identifikation mit dem Unterdrücker"?

Wie dem auch sei, die Argumente sind oft und oft gesagt worden und haben doch kein Gehör gefunden. Das alles hat längst einen Bart. Einen Zöli-Bart.

Sehr informativ ist im übrigen die Materialsammlung auf www.ilsesixt.de

















Donnerstag, 22. September 2016

Evangelisierung

In letzter Zeit wird immer wieder von Neuevangelisierung gesprochen, Auslöser war wohl die Kritik aus dem Vatikan. Der Papst hatte den Bischöfen beim ad-limina Besuch die Leviten gelesen, um das einmal so zu formulieren, Gänswein hat sich in gewisser Weise angeschlossen und mit Kritik nicht gespart.

Hier nun finde ich einen Tweet, in dem folgendes klargestellt wird: Evangelisierung heißt nach Marx 'sich öffnen für die Wunden der Welt' und nicht 'Rekrutierung für die Kirche'.

Das ist schön gesagt. Und dürfte in eine andere Richtung zeigen als viele sich das vorstellen. 

Nur: Wenn die Kirche sich für die Wunden der Welt öffnen will, sollte sie erst einmal die Wunden innerhalb der Kirche sehen, Wunden, die sie (sich) selbst zufügt. Ich kann mich nur wiederholen: Der Pflichtzölibat verwundet mehr, als die Betroffenen selbst merken oder sich eingestehen, denn vielen fehlt damit ein wesentlicher Teil menschlicher Existenz, die Geringschätzung der Frau verwundet nicht wenige, von dem Hickhack zur Kommunion oder besser zum Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene ganz zu schweigen.

Kümmert euch erst einmal um diese ganz offensichtlichen Wunden, dann werdet ihr glaubwürdiger, und man wird euch eine Evangelisierung, wie immer sie aussehen mag, vielleicht abnehmen.








Dienstag, 20. September 2016

Jörg Zink

"1996 schrieb Zink im 'Deutschen Evangelischen Sonntagsblatt': 'Ich wünsche mir eine Theologie und Kirche, in der frei und offen über all das gesprochen werden kann, was uns allen notorisch unklar ist.' Die Unklarheiten, die Ungewissheiten, die Unwissenheiten haben seither eher noch zugenommen. Beherztheit und Mut fehlen. Allzu oft ist das Verkündete schal, ohne Salz, ohne Licht, ohne die Kraft, die aufwühlt und zum Selberdenken des Religiösen anregt. 
...
Es waren so bedeutende Theologen-Persönlichkeiten wie Karl Rahner, Hans Küng, Dorothee Sölle, Eberhard Jüngel, Jürgen Moltmann und andere, die das vermochten: öffentliche Theologie als substanzielle Theologie, als Glaubensvertiefung und nicht als bloß moralisierende Appelliererei. Jörg Zink wirkte auf seine Weise 'glaubensöffentlich' offensiv. Wo sind die jungen Gelehrten, die das versuchen, nicht nur gebildet, sondern sprachmächtig?"

[Fundstelle: Christ in der Gegenwart Nr. 38, 18.09.2016]








Montag, 19. September 2016

Woher kommt der Glaube?

Der Neutestamentler Otto Betz fragt in seinem Buch "Was wissen wir von Jesus":
"Was aber war das Neue in seiner Verkündigung? Was kann als einzigartig im Evangelium gelten ...?"

In seiner Antwort bezieht er sich auf Gerhard Ebeling, der "in der Kraft des Glaubens den Brennpunkt des Wirkens Jesu" gesehen habe und auch dessen große Gabe an uns ... "Dabei hat Jesus nicht etwa über den Glauben gepredigt oder seine Glaubenshaltung als beispielhaft dargestellt. Vielmehr hat er in anderen Glauben entzündet, ihn zugesprochen und zu heilender Mithilfe ermächtigt."

Wo sind heute die Amts- und Würdenträger, so muss man fragen, die nicht nur von Neuevangelisierung schwadronieren, sondern den Glauben in anderen entzünden können? Wo sind sie, die nicht nur als Gesetzgeber und Machthaber, sondern vor allem als Menschen überzeugen?










Samstag, 17. September 2016

Es ist ein Kreuz!

"Es ist ein Kreuz mit der  CSU". schreibt A. Görlach auf katholisch.de. "Die Rhetorik wird immer schärfer - gegen Fremdes, gegen Flüchtlinge - und scharf an der Grenze zum Inhumanen."
...
"Wo sind die Christenmenschen", so schließt er mit einer Frage, "die gegen das Unmenschliche, das im Keim der Rhetorik der Herren Scheuer, Söder, Seehofer west, aufbegehren? Es gibt sie nicht mehr. Das politische Christentum ist abserviert von seinen - angeblich - ergebensten Dienern."

Ok, die bayerischen Bischöfe haben in der Vergangenheit ihre Stimme gegen die CSU-Rhetorik erhoben. Aber jetzt wären sie weitaus stärker gefragt. Wo sind die Bischöfe, die sonst so gern mit Verlautbarungen bei der Hand sind. "So nicht, Herr Seehofer", müssten sie rufen und aufstehen, alle miteinander.

Statt dessen gefällt sich Marx darin, für eine Fortsetzung der Verhandlungen zu TTIP zu werben. Und damit implizit für das Abkommen selbst.

Nachtrag am 20.09.:
Inzwischen hat Kard. Marx klar und deutlich gegen die rhetorischen Auswüchse von CSU-Granden Stellung bezogen. Gut so! [Fundstelle]

















Freitag, 16. September 2016

Wann beginnt die Bekehrung?

Der ZdK-Präsident hat sich, um dem Priestermangel abzuhelfen, für die Weihe von sogenannten (verheirateten) "viri probati" zu Priestern ausgesprochen. Der oberste Glaubenshüter Müller jedoch ist dagegen. Wen wundert's? (Fundstelle)

Warum ist Müller gegen diesen Vorschlag? Er würde seiner Meinung nach mit dem Ende des Zölibats einhergehen. Ist das nur eine unglaubliche, durch nichts zu übertreffende Borniertheit? 

Oder verbirgt sich dahinter der Gedanke, dass Menschen, die sich "freiwillig" einem Zwangszölibat unterwerfen, später leicht zu lenken und zu beherrschen sind?

Wie dem auch sei: Müller ist der Auffassung, "dass wir alle einen tiefen Prozess innerlicher Bekehrung durchmachen müssen". Geistige Erneuerung sei angesagt, vorbehaltloses Festhalten an Gott.

Es wäre schön, wenn Müller selbst sich diesem Prozess innerlicher Bekehrung stellen würde. Doch fürchte ich, er sieht sich außen vor. Bekehrung und geistige Erneuerung ist immer für die anderen.















Mittwoch, 14. September 2016

Bleibt im Allgemeinen und so

Der designierte Limburger Bischof "fordert mehr Mut zum Experiment", heißt es auf katholisch.de. Und bleibt bei seinen Überlegungen leider sehr im Allgemeinen ...

Auch die "Glaubensweitergabe, wie sie einmal war", funktioniere nicht mehr. Sagt er. Glaubensweitergabe, wie denn das? Durch Erziehung, Auswendiglernen, Indoktrination? Die Kirche hatte über Jahrhunderte hinweg sozusagen ein Monopol in spirituellen Fragen. Und nun funktioniere das nicht mehr. Einfach so.

Die Menschen sind auf der Suche. Man kann nicht oft genug wiederholen, was vor Jahren schon Enomiya-Lassalle gesagt hat: Die Menschen können mit einem anthropomorphen Gottesbild, wie es die Kirche immer noch verkündigt, nichts mehr anfangen. Punkt. Da hilft kein "Erwachsenenkatechumenat" und da hilft keine "Neuevangelisierung". Da könnt ihr euch mit euren Kleidern aus der römischen Kaiserzeit noch so lange auf die Kanzel stellen, man wird nicht mehr auf euch hören.

Gehört werden hingegen Menschen, die selbst eine authentische Gotteserfahrung gemacht haben. Sie können überzeugen, nicht mit vielen Worten, sondern durch ihr Sein. Wo sind diese Menschen? Sie sind entweder nicht (mehr) in der Kirche, oder sie stehen im Hintergrund, denn die Kirche hat immer versucht, sie mundtot zu machen, wie noch im Jahr 2002 den Benediktiner und Zen-Meister Willigis Jäger.

Mut zum Experiment! Ihr Verantwortlichen, traut euch endlich, auch auf jene zu hören, die eure Katechismuswahrheiten nicht länger nachplappern, sondern die sich selbst auf den Weg zur Erfahrung des Urgrundes gemacht haben.









Dienstag, 13. September 2016

Immer noch und immer wieder: Amoris Laetitia

Es ist ein beschämendes und kleinkariertes Hick-Hack um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene.

Eine Bischofssynode hat stattgefunden, ein umfangreiches Schreiben des Papstes wurde veröffentlicht, und das Wesentliche steckt in einer Fußnote, an die der Papst sich nicht einmal selbst mehr erinnern konnte. Geht's noch?

Man stützt sich auf ein Jesus-Wort und hat die Ehe zu einem verdinglichten kirchlichen Sakrament hochstilisiert. Und hat sich damit selbst Zwänge auferlegt, aus denen die Verantwortlichen nicht mehr herauskommen. Wer sich, so die kirchliche Auffassung, scheiden lässt und wieder heiratet, lebt in schwerer Sünde und ist von den Sakramenten ausgeschlossen. Daran ändert alles Gerede von Barmherzigkeit nichts. 

Ob nun einzelne trotz dieser grundlegenden Regelung zur Kommunion zugelassen werden, will man wohl davon abhängig machen, ob sie zusammen mit dem Pfarrer ihre Situation minuziös durchleuchten. Andere sind der Auffassung, die betroffenen Eheleute müssten wie Bruder und Schwester zusammenleben (!). Das alles ist absolut absurd. Als ob Ehe im wesentlichen nur aus Sex bestehen würde. Will man noch mehr als bisher schon in die Schlafzimmer hineinschnüffeln? Was denken sich die hohen Herren eigentlich? Falls sie denn etwas denken und nicht nur Gelerntes wiederkäuen.

Nur der Besuch des Gottesdienstes sei verpflichtend, sagte der oberste Glaubenshüter Müller, als er auf das Problem angesprochen wurde, nicht aber der Kommunionempfang. Und offenbarte eine lieblos-arrogante Haltung, die jeder Beschreibung spottet. Man wird also zur Teilnahme an einer Mahlfeier (!) verpflichtet, bekommt aber nichts zu essen. Gipfel der Absurdität.

(Fundstelle1), (Fundstelle2)








Montag, 12. September 2016

Und nochmals: Ratzinger

Ratzinger hat bei seinem Rücktritt 2013 angekündigt, er wolle schweigen und beten. Dass er betet, glaube ich ihm gern, geschwiegen hat er jedoch nicht.

Nun ist ein, wie es heißt, letztes Interviewbuch von ihm erschienen, in dem er sich neben vielen persönlichen Erinnerungen auch sehr kritisch zum Zustand des Katholizismus in Deutschland äußert (Fundstelle). Sind das Eitelkeiten eines alten Mannes? Wie auch immer, seine Verlautbarungen mögen durchaus zu Irritationen führen. 

Es sei bitter, "dass Ratzinger, der erste Papst aus Deutschland, seit Jahrzehnten über 'seine' Kirche nur im Ton der Verbitterung spricht", heißt es in der FAZ. Seltsam ist diese Haltung allemal, hat er doch über viele Jahrzehnte hinweg selbst an der Ernennung von Bischöfen mitgewirkt, denen er nun vorhält, sie seien "Hirten einer bürokratisierten, saturierten und obendrein ungemein privilegierten Kirche".

Für Hans Küng jedenfalls stellt sich das Pontifikat Ratzingers "zunehmend als eines der verpassten Gelegenheiten und nicht der genutzten Chancen dar". Wirklich Positives im Sinne von Zukunftweisendem sei in den Aktionen dieses Papstes beim besten Willen nicht zu entdecken. Doch die Wurzeln reichen noch weiter zurück. Wojtyla, so schreibt Küng, sei zusammen mit seinem deutschen Chefideologen Kardinal Ratzinger verantwortlich für den in unseren Tagen sichtbaren Niedergang der katholischen Kirche. (vgl. Küng, Hans: Sieben Päpste)


















Wer tadelt, muss mit Tadel rechnen

Vor 10 Jahren hat der Ratzinger-Papst Deutschland einen sogenannten Pastoral-Besuch abgestattet. Was ist davon geblieben?

Geblieben ist offenbar im wesentlichen seine sogenannte "Regensburger Rede", in der er versucht haben soll, Glaube und Vernunft gewissermaßen in Einklang zu bringen. Der "Mons. in fieri" Martin Kilian lobt genau dies. Und zwar hier. Ein anderer "erlebte den Papst in Hochform" (Fundstelle). Die Menschen seien schon im Morgengrauen zu einem Gottesdienst mit dem Papst nach Altötting gekommen: "Sie blickten alle mit Augen wie Sternen", Die Sehnsucht in jedem menschlichen Herzen, habe der Papst gesagt, sei letztlich die Sehnsucht nach Gott. Das ist zugegebenermaßen eine wirklich schöne Aussage, die ich nur begrüßen kann.

Ich selbst als sozusagen Außenstehender habe den Papstbesuch jedoch in nicht so positiver Erinnerung. Die Kosten von mehr als 20 Millionen Euro wurden damals, wenn mein Gedächtnis nicht trügt, damit gerechtfertigt, dass der Papst wichtige pastorale oder spirituelle Impulse geben werde. Von wirklichen spirituellen Impulsen war jedoch nichts zu spüren. "Geht doch am Sonntag in die Kirche, das gibt eurer Woche eine Mitte", so oder ähnlich habe ich Ratzinger noch im Ohr. Und das war's dann. Ich habe das als absolut enttäuschend empfunden. 

Ratzinger ist auch als Papst der Professor geblieben, der er früher einmal war.
















Sonntag, 11. September 2016

Ein radikaler Blick?

Der "Kongress für feministische Theologie" in Peru hatte mein Interesse geweckt. Bezug. So habe ich die Autorin gefragt, wie sich das spezifisch Feministische hier zeige.

Die Antwort kam postwendend aus Peru: "Der radikale Blick auf den Glauben aus dem Erleben, dem Tun und der Reflektion als Frau". Lapidar? Ja. Prägnant? Vielleicht.

Ich will nicht einfach unterstellen, dass ich hier mit einer der üblichen theologischen Leerformeln abgespeist werden soll. Also musste ich mir selber Gedanken zu machen.

Radikaler Blick. Ein an die Wurzeln gehender, schonungsloser  Blick? Das kann ich akzeptieren. Nun aber: Radikaler Blick auf den Glauben? Was ist denn der "Glaube"? Was ist die Wurzel des Glaubens?

Jesus hat seine Botschaft sozusagen in einem Satz verdichtet: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben ... und deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn das mit der Antwort gemeint sein sollte, dann ist zu fragen: Wie liebe ich Gott, den ich weder sehen noch hören oder berühren kann? Meine Haltung zu Gott, meine "Liebe" zeigt sich darin, wie ich mit der Schöpfung umgehe, mit den Mitmenschen und allen anderen Lebewesen, mit der Natur. Ob ich sie achte, weil alles im Grunde eins ist, oder ob ich sie ausbeute und die Erde als Müllkippe missbrauche. Frauen haben hier wohl eine andere Grundhaltung als die auf Gewinnmaximierung fixierten "Herren" der Schöpfung.

Darin muss sich die o.a. Antwort jedoch nicht erschöpfen, weil es ja um das Erleben, um das Tun und die Reflexion der Frau gehen soll.

Also wird der radikale Blick sich auf die von Männern dominierte Kirchenstruktur und vor allem auf das von der Kirche erstellte immense Glaubensgebäude richten, auf das, "was zu glauben vorgestellt" wird, auf die Dogmen und Lehräußerungen, auf die Vorschriften, auf die "Tradition". Und auf die Haltung der Kirchenleitung, die Frauen in gewisser Weise trotz aller gegenteiligen Beteuerungen immer noch als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Frauen werden gern in dienender Funktion gesehen, geweiht werden können sie nicht. Die Amts- und Würdenträger müssen Männer sein, weil Jesus - so das seltsame biologische Argument - ein Mann gewesen ist.

Dass Frauen in Peru und auch anderswo (Beispiel) sich auf sich selbst besinnen und aufstehen und die Anerkennung einfordern, die ihnen zusteht, kann Hoffnung machen. Das ist überfällig. Denn aus eigenem Entschluss (motu proprio, sozusagen) wird das Patriarchat weder sich noch sonst etwas ändern. Die Veränderung wird trotz der vielfachen Bemühungen von Franziskus nicht von oben eingeleitet, sie muss von unten kommen.




















Samstag, 10. September 2016

Feministische Theologie

Die Frauen stehen auf und nehmen Stellung. In Peru hat ein Kongress für feministische Theologie stattgefunden. [Fundstelle]

"Feministische Theologie ist in Peru Neuland", heißt es in einem Text von Hildegard Willer auf mission21. Zu dominant seien immer noch die konservativen Strömungen in der katholischen und den evangelischen Kirchen. Die vielen Morde an Frauen, der Kampf der indigenen Bevölkerung um ihr Land, die Zerstörung der Natur, das sind die Dinge, die die Menschen in Peru betreffen, und darum werde auch theologisch darüber nachgedacht.

Der Kontext sei für das Lesen der Bibel wichtig.

Das gilt nicht nur für Peru, das gilt auch für unsere Breiten. Nicht um scheinbar fest verankerte "Wahrheiten" geht es, sondern um das gelebte Leben.











Mittwoch, 7. September 2016

Die Kirche soll überzeugen

Die "Kirche soll Menschen durch Qualität überzeugen", schreibt ein Pastoraltheologe. [Fundstelle]

Religion sei ein Wachstumsmarkt, die Deutschen wollten "anspruchsvoll religiös" sein, man müsse ihnen so viel an Qualität bieten, dass sie sagen: Diese Stunde Lebenszeit in der Kirche ist gut investiert.

"Das Christentum sei, wenn es nicht mit Macht und Kontrolle erzwungen werde, eine freiwillige Option für ein erfülltes Leben."

Die Botschaft klingt fast so, als hätte sie ein Fachmann für Marketing verfasst. Ob das wohl der richtige Weg ist?

Klar, die Kirche soll überzeugen. Doch wird sie allenfalls dann überzeugen, wenn ihre Verantwortlichen nicht anders handeln, als sie reden. Etwa in Bezug auf Finanzen oder Sexualität oder Spiritualität oder was auch immer. Nicht die Orthodoxie, Dogmen und "Tradition", sollten an erster Stelle stehen, sondern das gelebte Leben.

Der wichtigste Punkt aber wäre, dass den Menschen nicht das mittelalterliche Bild eines von uns getrennten Gottes vermittelt wird. 












Dienstag, 6. September 2016

Wer bin ich?

"Vielleicht ist ... die eigentliche Ursache unserer Angst die Tatsache, dass wir nicht wissen, wer wir wirklich sind. Wir glauben an eine persönliche, einzigartige und unabhängige Identität. Wagen wir es aber, diese Identität zu untersuchen, dann finden wir heraus, dass sie völlig abhängig ist von einer Reihe von Dingen: von unserem Namen, unserer 'Biographie', von Partner, Familie, Heim, Beruf, Freunden, Kreditkarten ... Auf diese brüchigen und vegänglichen Stützen bauen wir unsere Sicherheit. Wenn uns all das genommen würde, wüssten wir dann noch, wer wir wirklich sind?

Ohne diese vertrauten Requisiten sind wir nur noch wir selbst: eine Person, die wir nicht kennen, ein verdächtiger Fremdling, mit dem wir zwar schon die ganze Zeit zusammenleben, dem wir aber nie zu begegnen wagten. Haben wir nicht aus eben diesem Grund versucht, jeden Augenblick unserer Zeit mit Lärm und Aktivität zu füllen - egal wie trivial oder öde - , um sicherzustellen, dass wir ja nur niemals mit diesem Fremden in der Stille allein sein müssen?

Deutet dies nicht auf etwas grundlegend Tragisches in unserer Art zu leben hin? Wir leben in einer neurotischen Märchenwelt unter einer angenommenen Identität ... Diese Welt kann wunderbar überzeugend scheinen, bis der Tod die Illusion zerschlägt und uns aus unseren Schlupflöchern treibt. Was wird dann aus uns werden, wenn wir keine Ahnung von einer tieferen Wirklichkeit haben?

Wenn wir sterben, lassen wir alles zurück, vor allem unseren Körper, den wir so sehr geschätzt haben, auf den wir uns blind verlassen haben und den wir so angestrengt am Leben zu halten versucht haben. Aber auch unser Geist ist um keine Spur verlässlicher als unser Körper. Schauen Sie sich Ihren Geist einmal für nur wenige Minuten an. Sie werden sehen, er ist wie ein Floh ... Mitgerissen vom Chaos des jeweiligen Augenblicks sind wir das Opfer der Unbeständigkeit unseres Geistes. Wenn das der einzige Bewusstseinszustand ist, den wir kennen, dann wäre es ein absurdes Glücksspiel, uns im Augenblick des Todes auf diesen Geist verlassen zu wollen."

(Sogyal Rinpoche. Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod)










Montag, 5. September 2016

... sogar den Frauen

In der Wochenschrift Christ in der Gegenwart Nr. 34 ist der Artikel eines Ausbilders an einem Studienseminar abgedruckt, in dem es darum geht, wie das Heilige in den Alltag kommt: Durch Ideen, Gesten, Taten, die unsere Mitmenschen ehren und ihnen Würde geben.

Ein grundsätzlich schöner, lesenswerter Artikel. Auch die Geste der Fußwaschung wird angesprochen: "In bestimmten kirchlichen Kreisen hat es Kritik und Ablehnung gegeben, als Papst Benedikt XVI. nicht mehr nur Priestern, wie es vorher üblich war, sondern männlichen Laien in der Gründonnerstagsliturgie die Füße wusch, und noch viel mehr, als sein Nachfolger, Papst Franziskus, diesen Dienst auch Häftlingen, Behinderten, einem Muslim und sogar Frauen getan hat."

Und sogar Frauen! Man stelle sich vor: Sogar Frauen hat er die Füße gewaschen! Das schlägt doch dem Fass die Krone ins Gesicht. Diese drei Worte führen letztlich den ganzen Artikel ad absurdum.

Der Autor hat es vermutlich nicht bewusst intendiert, aber hier kommt die Missachtung, die die Kirche Frauen immer noch entgegenbringt, mehr als deutlich zum Ausdruck. Frauen haben in der Kirche (mit wenigen Ausnahmen) nichts zu sagen, sie dürfen nicht geweiht werden, nicht einmal zur Diakonin. Für Dienste zweiter Klasse sind sie aber gut genug. Es ist eine Schande.

















Sonntag, 4. September 2016

Männlich und erprobt?

In der Diskussion um die Lockerung des Zölibats wird vorgeschlagen, "viri probati" zum Priester zu weihen. Viri probati sind lt. wikipedia Verheiratete, "die sich aufgrund ihrer nach römisch-katholischen Grundsätzen vorbildlichen Lebensweise für den Dienst des Diakons empfehlen und daher als verheiratete Männer zum Diakon geweiht werden."

Verheiratete müssen also erprobte, vorbildliche Männer, um nicht zu sagen: Mannsbilder sein. Dann können sie geweiht werden, künftig vielleicht gar zum Priester.

Wer jedoch von Anfang an zölibatäre (also ehelose und sexuell enthaltsame) Lebensweise akzeptiert, kann nach dem Examen sofort geweiht werden. Warum wird hier nicht auch gefordert, dass es sich um erprobte, bewährte, vorbildliche Menschen handelt? Dann wären der Kirche wohl manche Missbrauchsfälle von vornherein erspart geblieben. Den Tätern und vor allem den Opfern.

Ach ja. Wie prüft man denn, ob einer ein vorbildliches, erprobtes Leben führt, ob er ein bewährtes Mannsbild ist? Gilt als Kriterium, dass er nicht geschieden ist und viele Kinder hat? Dass er regelmäßig beichtet und am Sonntag in die Kirche geht. Wird seine Ehefrau auch befragt? 

























Samstag, 3. September 2016

Nicht nichts


-  Gestern sprachen wir davon, 
   dass nichts geschehe. Aber das 
   stimmt nicht. Der Papst 
   strukturiert die Kurie neu,
   ist das etwa nichts?
-  Das könnte ein Anfang sein.
-  Mehr als das. Der Papst ist 
   dabei, die Kirche zu verändern. 
   Nach seinem Pontifikat wird 
   die Kirche eine andere
   sein als zuvor.
-  Aber er spricht von Gott noch 
   immer als wäre dieser ein 
   Gegenüber.
-  Man muss ihm Zeit lassen.
-  Er ist noch nicht im neuen 
   Denken angekommen. Das 
   ist aber die Voraussetzung 
   für wirkliche Veränderung.
-  Das mittelalterliche Paradigma
   eines von uns getrennten
   Gottes ist so fest in unseren
   Köpfen verankert, dass das
   nicht durch Denken allein
   überwunden werden kann.
-  Nicht Theologie, sondern
   Theopraxie ist verlangt.
   Es geht um Gotteserfahrung.
-  Warten wir's ab.








Freitag, 2. September 2016

Es muss etwas geschehen!

Ein Dialog

-  Es muss etwas geschehen!
-  Es wird etwas geschehen, 
   würde Böll wohl sagen.
-  Es geschieht aber nichts. 
   In der Theologie, meine ich.
-  In der Theologie kann 
   nichts mehr geschehen, die
   ist vollständig ausformuliert, 
   sie ist aus den wenigen 
   überlieferten Sätzen Jesu 
   zu einem immensen Gebäude 
   aus Worten, Formeln, 
   Glaubenssätzen und 
   Vorschriften geworden, die 
   man für wahr halten muss, 
   obwohl sie niemand 
   völlig verstehen kann.
-  Dabei kann man über Gott 
   nichts sagen.
-  Das behaupten die Theologen, 
   aber sie sprechen dauernd 
   über Gott, als wüssten sie, 
   wovon sie reden.
-  Auf die Erfahrung käme es 
   an.
-  Auf die Gotteserfahrung?
-  Ja, auf die Gotteserfahrung. 
   Eine Theologie, die nicht zur 
   Gotteserfahrung führt, ist 
   wenig wert, sie hat keinen 
   Nutzen.
-  Dann wäre die Theologie 
   aber keine Theologie mehr, 
   sondern eine Art Wegweisung, 
   eine Hinführung zur Erfahrung. 
-  Das Paradoxon ist: Zu einer 
   Gotteserfahrung kann nur 
   jemand führen, der eine solche 
   Erfahrung selbst schon gemacht 
   hat. So wie Mose oder Jesus 
   oder die Mystiker. 
   Aber die Mystiker werden von 
   den gelehrten Theologen 
   mundtot gemacht, weil sie 
   keine Glaubenssätze lehren ...
   Ohne die Mystiker ist die
   Theologie nur Papier-Theologie.
-  Damit beißt sich die Katze 
   in den Schwanz:
   Es müsste etwas geschehen, 
   aber es geschieht nichts.












Donnerstag, 1. September 2016

Früh oder spat: Zölibat

Die Laienorganisation "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" hat eine Lockerung des Zölibats ins Gespräch gebracht. Aus der Politik kommt Zustimmung, und der Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, würde es begrüßen, wenn sogenannte "viri probati", die bisher nur zum Diakonat zugelassen sind, künftig Priester werden können.

Der Würdenträger Kardinal Woelki aus Köln sieht das allerdings anders. Die Ehelosigkeit habe als "widerständiges und scheinbar unzeitgemäßes Zeichen der Liebe Gottes mitten unter uns seine Bedeutung ganz und gar nicht verloren". Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Liebe Gottes zeigt sich also darin, dass ein Priester nicht oder allenfalls platonisch lieben darf? Welch ein Unsinn. 
[Fundstelle1, Fundstelle2]

Was steckt dahinter? Vielleicht der unbewusste Gedanke, dass bei einer Lockerung oder gar Aufhebung des Zölibats sein eigener lebenslanger Kampf mit der Sexualität "für die Katz' " war? Oder lebt der Mann in einem Woelkikuckucksheim?

Ich denke, das Thema wird man so leicht nicht wieder vom Tisch bekommen. Zumindest nicht mit solchen platt-theologischen Sätzen ...

Wie sagte Böll: "Es muss etwas geschehen!" "Es wird etwas geschehen."