Dienstag, 31. Mai 2016

Der Blick von außen

Der frische Blick des argentinischen Papstes auf Europa befähige ihn dazu, eine Erneuerung der europäischen Idee anzuregen, schreibt Pater Antonio Spadaro, Jesuit und Herausgeber der Zeitschrift Civiltà Cattolica.

"Franziskus umsegelt Europa, um sein Inneres zu erfassen", ist ein Artikel auf  de.radiovatikana.va überschrieben, in dem es heißt:

"Papst Franziskus hat uns daran gewöhnt, das Zentrum von der Peripherie aus zu betrachten. Das heißt, dass man die Realität, also das Herz der Dinge, wirklich dort fühlt, wo man den Blutdruck in der peripheren Zirkulation wahrnimmt."

Ein schönes Bild, ein guter Gedanke. Der Papst sollte diese Herangehensweise nicht nur auf Europa, sondern zuvörderst auch auf die Kirche und den Vatikan anwenden. Er sollte versuchen, die Kirche, vielleicht auch nur die europäische Kirche, einmal wirklich von außen zu betrachten, und er würde sich wundern. Denn "die Verhältnisse, sie sind nicht so", wie man sie sich im Vatikan gern vorstellt.








Samstag, 28. Mai 2016

Missbrauch

Wieder wurde ein Missbrauchsfall bekannt, diesmal in einer Pfarrei in Oberbayern. Die Leitung des Bistums teilt eilfertig mit, man habe alles getan, um Missbrauch zu verhindern. Was genau getan wurde, welche Hilfen den Priestern angeboten werden und wie man sie konkret unterstützt, war dem Zeitungsartikel nicht zu entnehmen. 

Ein Leserbrief von Ilse Sixt an den Münchner Merkur vom 27. Mai bringt es auf den Punkt:

"Nicht gegen den Pfarrer soll ermittelt werden, sondern gegen die unmenschlichen Rahmenbedingungen der Institution Katholische Kirche, der vor 1000 Jahren das Schamgefühl abhanden gekommen ist. Wissen ist Macht, aber Charakter verschafft Respekt und Anerkennung. Nicht umsonst leeren sich die Kirchen."

Der Leserbrief trifft den Nagel auf den Kopf: Mit jedem der Geistlichen, der jemanden missbraucht und der angeklagt wird, sitzt im Grunde die Kirche als Institution mit auf der Anklagebank. Ein junger Mensch, der sich voller Enthusiasmus dem Priesterberuf verschreibt und nolens volens den Zölibat akzeptiert, kann kaum überblicken, wie seine priesterliche Existenz einmal aussehen und was ihn die nächsten 40 oder 50 Jahre in der Praxis erwarten wird, denn das kann in den Seminarien, fernab der Realität, nicht wirklich vermittelt werden. Man kann sich seine Sexualität ja nicht einfach wegtrainieren ...

Gibt es zum Beispiel regelmäßige Gespräche des Bischofs mit seinen Priestern? Gibt es andere Ansprechpartner für die Priester, die Hilfe suchen?

Wie auch immer: Die Kirche muss endlich anerkennen, dass der Zölibat überholt ist, ja, dass seine Einführung im Grunde durch nichts gerechtfertigt war. Durch seine Abschaffung werden sicherlich nicht alle Probleme automatisch gelöst, aber es wäre ein Anfang. 

Eine äußerst hilfreiche Materialsammlung zu der Thematik findet sich hier:
www.ilsesixt.de


Donnerstag, 26. Mai 2016

Fronleichnam

An Fronleichnam wird gepredigt.

Wenn es um den Missbrauch der Religion gehe, sagte zum Beispiel Kard. Marx, sollten die Katholiken nicht nur auf den Islam schauen, sondern auch auf sich selber. Auch Christen hätten Gott für wirtschaftliche und politische Interessen benutzt ...

Ja, er hat recht. Nicht nur Christen im anonymen Sinn, sondern die Kirchenleitung selbst hat Gott für ihre Interessen, machtpolitische Interessen vor allem, eingesetzt. Man hat ihn instrumentalisiert, wie man es heute formuliert, und tut es im Grunde immer noch. Und jene, die das kritisierten, hat man ausgesondert, exkommuniziert. Versöhnung mit den Protestanten wäre dringend erforderlich. 

Interessant. Wenige Tage zuvor hatte der Journalist und Theologe Daniel Deckers den Zustand der Kirche kritisiert: 

Die gegenwärtige Organisation der Kirche, sagte er, binde mehr Energien, als sie freizusetzen vermöge. Der Einsatz von Pastoral- und Gemeindereferenten zur Kompensation des Priestermangels verlängere nur das 'Siechtum des bestehenden Systems'. Was die Personalpolitik angehe, so kritisierte er im Einzelfall 'Provinzialität und geistliche Inzucht'. Usw. usf.

Es gibt also genügend Hinweise auf Schwachstellen in der Kirche. Man müsste nur den Willen und vor allem den Mut haben, wirklich etwas zu ändern. Man kritisiert zwar das mangelnde Interesse in der Bevölkerung an Religion. Aber mit schönen Worten allein lassen sich die Menschen nicht länger abspeisen. 








Dienstag, 24. Mai 2016

Was ist katholisch?

Im Kalenderblatt auf katholisch.de beschäftigt man sich heute mit Vinzenz von Lérins, der Mönch auf dem gleichnamigen Inselkloster vor Marseille war, Heiliger und Kirchenvater noch dazu.

Sein Leitsatz sei gewesen, dass das, 'was überall, immer, von allen geglaubt worden ist', wirklich katholisch sei.

Aha, denkt sich der fromme Leser. Dann waren die Naturgötter der Kelten und Germanen auch katholisch. Denn auch an sie wurde überall, immer und von allen geglaubt. Zumindest in Germanien. Das mag vielleicht nicht kath-holon im vollen Sinn gewesen sein, dann halt kath-german. 

Spaß beiseite. 

Gibt es etwas, das überall, immer und von allen geglaubt wurde oder wird? Zulehner zum Beispiel spricht ja von Auswahlchristen: Keiner könne alles in vollem Umfang glauben. Das sei menschenunmöglich. Dann würde sich der Kern des Katholischen sehr verkleinern, viele der Dogmen würden unter den Tisch fallen. 







Montag, 23. Mai 2016

Trinität

Bischof Schick von Bamberg sagt gestern am Dreifaltigkeitssonntag, wir könnten Gott nicht endgültig erkennen. 

Das ist meines Erachtens schon viel zu viel behauptet. Wir können Gott überhaupt nicht "erkennen", wir können ihn allenfalls erfahren, die Erfahrung dann aber nicht in adäquate Worte fassen.

Viele Jahrhunderte lang hat man über die Trinität diskutiert, hat um Spitzfindigkeiten gestritten, wie mir scheint.  Ob Gott Vater nun wesensähnlich mit dem Sohn ist (Arius) oder ob er mit ihm wesensgleich ist (Athanasius), mag für den persönlichen Glaubensvollzug ohne Belang sein. Wer denkt schon darüber nach, wenn er das sogenannte Glaubensbekenntnis hört oder spricht.

Und mit dem Heiligen Geist tut man sich noch schwerer. Alle reden von ihm, aber zu fassen bekommt ihn keiner. Der heilige Geist sei Gottes Macht in Aktion, seine wirksame Kraft, heißt es etwa. Es gehe um etwas Unsichtbares, das etwas Sichtbares bewirkt. Der Geist Gottes sei wie der Wind unsichtbar, immateriell und stark. Aber er sei keine Person. Keine Person, wie denn das? Wird er doch Paraclitus genannt ... 
Usw. usf. Vgl. zum Beispiel hier

Menschliche Begriffe sind nicht geeignet, den Urgrund des Seins zu erfassen. Auch ein Fachtheologe tut sich hier mehr als schwer: "Man sollte vermeiden, zu sehr an der Dreizahl zu hängen und Gott naiv numerisch aufzufassen. Trinität heißt: Gott ist Fülle. In Gott wirken entscheidende Dimensionen zusammen: das streng Transzendente, das dem Vater zugeschrieben bleibt, das Politische im weiten Sinn, das sich an Jesus zeigt, und das Mystische, die Innerlichkeit, wofür der Heilige Geist steht." [Fundstelle]

Das ist, mit Verlaub gesagt, Blabla. Ich würde sagen, man sollte nicht nur vermeiden, zu sehr an der Dreizahl zu hängen (warum dann Trinität?), sondern man sollte vermeiden, in dieser oder ähnlicher Weise über Dinge zu reden, von denen man nicht reden kann. Weniger ist mehr. 








Sonntag, 22. Mai 2016

Katholikentag bei Uninteressierten?

Ab 25. Mai wird der Katholikentag stattfinden, diesmal in Leipzig , es ist der hundertste in einer langen Tradition. Man macht sich viele, viele Gedanken darüber, wie man mit den religiös überwiegend Uninteressierten ins Gespräch kommen kann. [Fundstelle]

Das wird schwierig sein, denn viele sagen, in ihrem Leben komme Gott nicht vor. Oder: "Ich bin weder religiös, noch atheistisch. Ich bin normal!" 
"Und wenn jemand sagt: 'Ich glaub nichts, mir fehlt nichts', hat er damit eigentlich alles zu dem Thema gesagt - worüber sollte man mit ihm diskutieren?" 
Yoga- und Zen-Meditationen mit Andersglaubenden sollen angeboten werden, auch eine Werkstatt "Neue Spiritualität im Personal Coaching".
Stilisierte, teils selbstironisch gebrochene Kirchen-Accesssoires werden in der Innenstadt aufgestellt, eine Kanzel zum Beispiel oder ein Beichtstuhl als Begegnungsstätte. 
Aber, so das Fazit: "Wer von nichts erlöst werden will, dem haben wir nichts zu bieten."


Die Idee mit Kanzel und Beichtstuhl ist ja nett, aber was soll das? Wen interessiert das heute noch wirklich, wenn zuerst über Sünde gepredigt und dann von der unendlichen Barmherzigkeit Gottes gesprochen wird?

Die Menschen suchen, wenn sie denn suchen, nicht nach "ewigen Wahrheiten", wie sie die Kirche verkündet und predigt, sie suchen nach Menschen, die eine wirkliche religiöse oder besser: eine tiefe spirituelle Erfahrung gemacht haben, sie suchen nach Menschen, die wirklich authentisch sind.

Willigis Jäger ist so ein Mensch. Er würde anders sprechen, er würde sinngemäß sagen: Ich bin nicht da, Ihnen zu sagen, was Sie tun oder wie Sie sich verhalten oder was Sie glauben sollen. Ich bin gekommen, Ihnen zu sagen, wer Sie sind. Er würde nicht von Gott sprechen, denn das Wort ist durch vielfältigen Missbrauch sehr belastet, sondern vom ewigen Seinsgrund, würde sich nicht mit Dogmen befassen, sondern würde in Bildern sprechen, würde vielleicht das Bild von der Welle und dem Meer wählen. Jeder Mensch ist wie eine Welle im ewigen Meer des Seins, eine Welle, die kommt und die wieder vergeht. Und die Welle IST das Meer, hängt mit allen anderen Wellen zusammen, ist EINS mit allem, was ist.

Man müsste ihn hören und unmittelbar erleben, denn über die tiefe Seinserfahrung kann man im Grunde nicht sprechen.
















Freitag, 20. Mai 2016

Höher und höher

Wir sind alle versucht, andere zu zerstören, um höher zu klettern. Es ist eine Versuchung, die die Kirche zerstört.

[Papst Franziskus in einem Tweet]


"We're all tempted by these things, to destroy another to climb higher. It's a temptation that destroys the church"







Donnerstag, 19. Mai 2016

Ist der Papst dumm?

Ist der Papst dumm, wie in der Überschrift eines Artikels auf katholisch.de gefragt wird? Es ist eine rhetorische Frage, versteht sich.

Was wirft man dem Papst vor? Der Philosoph Spaemann ist der Meinung, der Papst lese zu wenig, der Papst sei ungebildet. Ein vernichtendes Urteil aus dem Munde eines Mannes, der nicht viel mehr kann als lesen und das Gelesene dann schlau wiederzugeben. Auch Burke meldete sich zu Wort und wetterte gegen "Amoris Laetitia". Und der oberste Glaubenshüter Müller sowieso. Unter konservativen Katholiken, so in dem genannten Artikel weiter, wachse die Bereitschaft, dem Papst den Gehorsam aufzukündigen.

Die Reaktion war in gewisser Weise vorhersehbar, hat doch der Papst der Kurie gehörig die Leviten gelesen. Immer wieder spricht er von Barmherzigkeit, wohl wissend, dass das Beharren der Amtskirche auf ihren selbstgemachten Glaubenssätzen alles andere als barmherzig ist.

In einem aktuellen Tweet sagte der Papst: "Bei Jesus bleiben bedeutet aufbrechen, aus sich selbst herausgehen und nicht in einem müden Gewohnheitsglauben verharren."

Genau das ist es. Das ist sein Anliegen. Weg vom Gewohnheitsglauben, in dem man es sich gemütlich gemacht hat, in dem man als hoher Würdenträger seine Privilegien hat, weg vom jahrhundertealten Mief. Macht nicht nur die "heilige Pforte" auf, sondern alle Türen und Fenster und lasst frische Luft in eure Kirche!

Ist der Papst also dumm? - Nein, natürlich nicht. Er ist alles andere als dumm. Er ist offen, hörend, menschlich, verkörpert also Eigenschaften, die manche seiner Kurialen nicht haben. Im Gegensatz zu ihnen verfügt er über hohe emotionale Intelligenz. Und dadurch fühlen sich viele in seiner Umgebung "gestört".  

Hat man nicht schon vor 2000 Jahren im Prozess gegen Jesus gesagt, es sei besser, wenn    e i n e r   stürbe, als dass das ganze Volk Schaden nehme? 













Mittwoch, 18. Mai 2016

Zeit existiert nicht

"Zeit wird nicht mehr sein", steht auf einer Tafel am Meditationsweg bei der Wieskirche. Und dies "soll uns auch sagen:

Das Ziel des Menschen ist der Augenblick, an dem es keine Vergangenheit, keine Zukunft und vielleicht auch keine Gegenwart mehr geben wird. Es geht also nur noch um diesen Moment, um das Jetzt. Und es will uns weiter sagen: Wir befinden uns heute schon in der Ewigkeit, im himmlischen Jerusalem, im Himmel auf Erden. Hier und jetzt.

Wir wollen zur Ruhe kommen, innehalten und fragen: Wie gehe ich um mit meiner Zeit? Wie sehr belasten mich Erlebnisse aus meiner Vergangenheit? Wie viel Kraft und Energie kostet mich meine Angst vor der Zukunft? 

Wem es gelingt, im Augenblick zu sein, dem gehört das Paradies."

Das ist im Grunde genau die Botschaft, die auch Eckhart Tolle und Willigis Jäger immer wieder mit ähnlichen oder anderen Worten verkünden. Auch Meister Eckhart und andere Mystiker haben so gesprochen.

Und das ist, was ich auch selbst glaube.

Mehr gibt es nicht zu sagen. 






Dienstag, 17. Mai 2016

Polemik

Kardinal Lehmann ist noch kaum im Ruhestand, wird er schon von Mathias von Gersdorff als Progressist beschimpft, und es wird froh drauf los argumentiert, um nicht zu sagen polemisiert. Hier einige wenige Zitate:

"Die Tatsache, dass es einen in dogmatischer Hinsicht unfehlbaren Papst gibt, der in Fragen zu Glaube und Moral endgültig entscheiden kann, was die Wahrheit ist, soll man fröhlich als Geschenk Gottes annehmen und nicht als Grund, misstrauisch und ängstlich zu werden."

"Fehlt dieses Urvertrauen in die kirchliche Autorität, insbesondere in die päpstliche Aufgabenstellung, wird der Glaube schwierig und kompliziert. Bei Kardinal Lehmann erkennt man das, wenn die Journalistin Fragen zur Moraltheologie stellt."

"Kardinal Lehmann merkt möglicherweise gar nicht, welche Furcht er hier vor der lehramtlichen Autorität der Kirche zeigt. Diese Furcht ist eine Furcht aus Mangel an Vertrauen in die kirchlichen Institutionen."

"Besonders traurig wird es, wenn Kardinal Lehmann zum Thema Homosexualität befragt wird."

"Kardinal Karl Lehmann, 33 Jahre lang Bischof, ehemals Professor für Dogmatik, zehn Jahre lang Mitglied der Glaubenskongregation, ist nicht in der Lage, auf diese einfache Frage eine klare Antwort zu geben, obwohl sich die Kirche vielfach dazu geäußert hat und die biblischen Aussagen eindeutig sind."

"Kann so eine Person andere im Glaubensleben führen? Wohl kaum. Die Popularität Lehmanns scheint bei Personen groß zu sein, die ebenfalls Glaubensgewissheiten ablehnen, weil sie diese als „despotisch“ empfinden, als Produkte einer Kirche, die sich mental noch im Mittelalter befindet."

--------------------------

Die Zitate und der Text insgesamt sprechen für sich. Und gegen den Verfasser. Sorry, da kann ich nicht mitgehen.

Ich verstehe nicht, wie ein erwachsener Mensch dazu aufrufen mag, blindlings alles das zu glauben, was andere ihm vorbeten, und seien sie in der kirchlichen Hierarchie noch so hoch angesiedelt. Weiß er denn nicht, welchen Unsinn die Kirche in all den Jahrhunderten schon "zu glauben vorgestellt" hat? Nicht Lehmann, sondern der Autor des Pamphlets lebt mental noch im Mittelalter.

Seien wir froh, dass es in der Kirche mutige Menschen wie Lehmann gibt, die in der Lage sind, auch selber nachzudenken und sich ein Urteil zu bilden.











Montag, 16. Mai 2016

Evolution

"Auf unserer Erde verkörpert das menschliche Ego die letzte Phase des universellen Schlafes, die Identifikation des Bewusstseins mit der Form. Das war eine notwendige Stufe in der Evolution des Bewusstseins.
...
Wir befinden uns inmitten eines bedeutenden Geschehens in der Evolution des menschlichen Bewusstseins, aber davon wird in den heutigen Abendnachrichten keine Rede sein. Sowohl auf unserer Erde als vielleicht gleichzeitig auch in vielen anderen Teilen unserer Galaxie und darüber hinaus erwacht das Bewusstsein aus seinem Formentraum. Das heißt nicht etwa, dass sich jetzt alle Formen (die Welt) auflösen, obwohl einige es gewiss tun werden. Vielmehr bedeutet es, dass das Bewusstsein jetzt beginnen kann, eine Form anzunehmen, ohne sich in der Form zu verlieren. Es kann sich seiner selbst auch dann bewusst bleiben, wenn es Formen annimmt und erfährt. ..."

[Eckhart Tolle. Eine neue Erde]

Auch die Kirche und ihre Identifikation mit ihrer starren Struktur werden sich verändern müssen, das ist mit Händen zu greifen. Was Papst Franziskus tut und intendiert könnte genau ein erster Anfang von Veränderung sein. Veränderungen bereiten sich vielleicht lange vor, aber dann kann es, wenn die Zeit gekommen ist, manchmal sehr schnell gehen. Das "Pfingsten" vor 2000 Jahren war möglicherweise so ein Ereignis.

Es gibt eine Zeit, Strukturen aufzubauen, und eine Zeit, sie niederzureissen. Alles hat seine Zeit.





Sonntag, 15. Mai 2016

Pfingsten in der Wies

Ich kenne die Wieskirche. Heute soll dort in einem Gottesdienst der Allgäuer Bauernchor singen, der vom Sohn meines Jugendfreundes geleitet wird. Also nichts wie hin!

Die Kirche ist mehr als gut besucht, wir sind wohlweislich zu früh gekommen und warten in dem kalten Kirchenraum. Nette Begrüßung durch den Pfarrer. Dann bald das "Kyrie eleison!", das mich in seinen Bann zieht. Ich singe mit, fühle mich unversehens ins vierte oder fünfte Jahrhundert zurückversetzt, damals hat man den kaiserlichen Herrscher mit "kyrios" angesprochen und besungen. Und immer wieder, in unterschiedlicher Form, die Bitte um Vergebung: Schau gnädig auf uns Sünder ... "Supplices te rogamos", hat man früher gebetet. Und noch früher haben Menschen dem Herrscher, dem man, ob Kaiser oder Lehensherr, ausgeliefert war, in ähnlicher Weise gehuldigt und versucht, ihn gnädig zu stimmen. All das schwingt im Ritus noch mit, auch wenn man versucht hat, ihn mit der Mahlfeier, um die Jesus zu seinem Gedächtnis gebeten hat, in Einklang zu bringen.

Und plötzlich sehe ich die Wieskirche "Zum gegeißelten Heiland" mit anderen Augen.

Der Gegeißelte ist da, eine schön gestaltete, farbige Figur am Hochaltar. Man hat ihn, den Gegeißelten, in ein goldenes Kästchen eingesperrt und dann drum herum das wunderschöne, prunkvoll-überladene Gotteshaus gebaut. Das Mittelschiff ist umstanden von vier überlebensgroßen weißen Marmorfiguren, ein Kardinal, zwei Bischöfe, ein Papst, wenn ich recht interpretiere. Blutleere Gestalten, in neckisch-eitler Pose, überhöht an den Säulen. Das alles ist ein Sinnbild für den Zustand der katholische Kirche!

Der Pfarrer hat eine gute Stimme, er singt schön, spricht gern, wie mir scheint. Die Predigt eher wenig hilfreich, kaum etwas bleibt im Gedächtnis. Später dann, nach dem Vaterunser, der Friedensgruß. Man gibt seinen Nachbarn in den Kirchenbänken die Hand, nimmt sie im Grunde erst jetzt zur Kenntnis, nachdem man bislang ausschließlich nach vorn orientiert war. Warum kommt diese Geste nicht gleich am Anfang der Messe, wo sie im Grunde hingehört? Die Kommunion. Priester und Helfer am Altar nehmen die Hostien und trinken vom Wein. Dann wird an das "gläubige Volk der Erlösten" ausgeteilt. Sie werden abgespeist ... Das ganze soll eine Mahlfeier sein.

Wir hingegen, durchgefroren, verabschieden uns von den Nachbarn und verlassen den Kirchenraum. Ich bereue die Fahrt in die Wies nicht, mir sind die Augen aufgegangen.

......

Zu Hause dann ein paar schöne, anregende Telefonate. Und am Abend hören meine Frau und ich (via Audiodatei) eine Pfingstpredigt von Jürgen Werth, Bautzen, den ich von Twitter her kenne. 







Veni, Creator Spiritus

Veni, Creator Spiritus,
mentes tuorum visita,
imple superna gratia,
quae tu creasti pectora.

Qui diceris Paraclitus,

donum Dei altissimi,
fons vivus, ignis, caritas
et spiritalis unctio.

Tu septiformis munere,
dextrae Dei tu digitus,
Tu rite promissum Patris
sermone ditans guttura.

Accende lumen sensibus,
infunde amorem cordibus,
infirma nostri corporis
virtute firmans perpeti.

Hostem repellas longius
pacemque dones protinus:
ductore sic te praevio
vitemus omne noxium.

Per te sciamus, da, Patrem,
noscamus atque Filium,
te utriusque Spiritum
credamus omni tempore.

Deo Patri sit gloria
et Filio, qui a mortuis
surrexit, ac Paraclito
in saeculorum saecula.

[Rabanus Maurus ?]






Samstag, 14. Mai 2016

Nachfolge

Aus der Predigt bei der Diakonweihe durch Kardinal Marx heute im Dom zu München:


Was verwundert, ist der Satz am Schluss: "Jesus sagt, wer mir dient, der folgt mir nach."

Wo hätte Jesus so etwas gesagt? Wer der Größte unter euch sein will, der sei euer Diener, so hat Jesus gesprochen. Und er hat seinen zwölf Gefährten beim letzten Abendmahl die Füße gewaschen, trotz anfänglichen Protestes von Petrus.

Auch ein anderes Jesus-Wort passt hierher: Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!







Angst vor dem Neuen

"Die Angst vor dem Neuen und die Scheu, die Dinge mit anderen Augen zu sehen als in der Vergangenheit, lähmt die Diözesen, verzögert die Erneuerung, die Anwendung der Konzilsbeschlüsse, verhärtet die Verantwortlichen, die sich oft nur mit der blinden Verteidigung sinnleer gewordener Formen der Vergangenheit befassen, statt ein in seinem Inhalt immer neues Evangelium mutig zu verkünden. ...

Allzuviele machten sich vor, Christen zu sein, und waren Heiden. 
Allzuviele trennten die Religion vom Evangelium, den Kirchgang vom Leben. ...

Warum immer dieses Zögern in der Kirche? Warum jahrhundertelang immer die Eucharistiefeier in einer unbekannten Sprache halten? ...

Warum sich so lange mit der Macht und mit den Reichen zusammentun?
Kein Angst also, wenn sich etwas ändern wird. Und es wird sich im richtigen Sinn ändern." Denn es "ist unter der wärmenden Einwirkung des Heiligen Geistes der eisige Boden der Institutionen aufgetaut. ...

Das Heidentum, das uns umgibt, und der Materialismus, der uns versucht, wird in der Seele zum Schweigen gebracht durch den Gesang der Seligpreisungen, der in unserem Geist als Freude und Befreiung widerhallt."

[Carlo Carretto. Denn du bist mein Vater. 1975]






Aufblühen!



Blüh auf, gefror'ner Christ,
der Mai ist vor der Tür!
Du bleibest ewig tot,
blühst du nicht jetzt und hier.

[Angelus Silesius]





Freitag, 13. Mai 2016

Diakoninnen

Kommt sie oder kommt sie nicht, die Diakonin?

Fast 900 Leiterinnen von Frauenorden sind beim Papst vorstellig geworden, um ihm ihr Anliegen vorzutragen: Das Amt der Diakonin in der Kirche soll wieder neu belebt werden. Der Papst konnte ihnen nicht ganz widerstehen, hat laut nachgedacht und dann versprochen, die Frage von einer Kommission o.ä. prüfen zu lassen. Nicht ohne den Hinweis, dass dies sehr wohl seine Zeit brauchen werde.

Es scheint, als könne sich in der Kirche doch noch was bewegen. Allerdings ist noch nichts entschieden, und das Problem des Papstes wird zunächst mal sein: Wie sag ich's meiner Kurie?

Der Vatikan wird sich mit dem Anliegen nicht leicht tun, fürchtet man doch, dass mit der Zulassung der Frauen zum Amt des Diakons sich auch die Frage nach den anderen Weiheämtern - Priesterweihe, Bischofsweihe - stellen wird. Bisher sind das reine Männerdomänen.

Warum tut sich die Kirche mit den Frauen so schwer? Sie waren es doch, die unter dem Kreuz standen, als Jesus mit dem Tod kämpfte, die Männer hatten sich in Sicherheit gebracht. Frauen waren es, die Jesus als erste in seiner neuen Seinsweise als "Auferstandener" erfahren haben, dann erst hat er sich den Männern gezeigt ...

Ach ja, das Patriarchat lebt in der Kirche fröhlich fort. Nein, nicht fröhlich. Der Papst aus Übersee sieht zwar oft fröhlich aus, aber die anderen hohen Würdenträger schauen meist streng, tragen sie doch schwer an der Last ihres Amtes. 

Und wenn man sich vor Pfingsten auf den Heiligen Geist beruft, so macht man es sich zu einfach. Menschen sind es, die handeln und entscheiden müssen, die Neues wagen müssen, anstatt nur immer zu bremsen.

[Fundstelle]
[Text Frauendiakonat]
[G.Sailer]


Schon einen Tag später hat der Vatikan-Sprecher Lombardi die Äußerungen des Papstes relativiert. Jener habe nicht gesagt, er wolle Frauen zum Diakonat zulassen o.ä.  Wollte man den Papst damit gar disziplinieren?

Bei diesem Papst muss man offenbar aufpassen, dass er nicht etwas sagt, was im Vatikan unwillkommen ist, weil es mit der "Lehre" nicht zusammenpasst.








Donnerstag, 12. Mai 2016

Hochzeit - Ehe - Familie

Die Kirche kapriziert sich zunehmend auf die Themen Heirat - Ehe - Familie. Heute zum Beispiel geht es auf katholisch.de um die Hochzeitsplanung. Für alle, die heiraten wollen - vielleicht sogar noch im Mai -, werden "wertvolle Tipps von Experten" angeboten.

Das macht neugierig: Zunächst ein kurzes Interview mit einem Ehe-Seelsorger. Der findet es bedenklich, dass der Brautvater etwa die Braut in die Kirche führt. Schön sei hingegen, dass die Paare nicht nur das "Ja-Wort" sprechen, sondern neuerdings das ganze Trauversprechen. Und dann: "Eine kirchliche Eheschließung ist dem Herrn wohlgefällig, auch wenn man einen Haspler drin hat."

Anschließend kommt eine Hochzeitsdesignerin zu Wort. Diese erklärt den Paaren die "Trends" und auch, dass sie zeitig nach einer passenden "Location" suchen sollen. Aha.

Lassen wir es dabei bewenden. Doch stellen stellen sich noch ein paar Fragen:

Was ist ein Ehe-Seelsorger? Hat er, der er als Experte angekündigt ist, eine Ausbildung als Familien-Therapeut o.ä.? Ist "Hochzeitsdesignerin" eine offizielle oder eine selbst erfundene Bezeichnung im Sinne von Event-Manager usw. usf.?

Wer in diesem Mai noch heiraten will und jetzt erst zu planen beginnt, ist arm dran. Da kommen die Experten-Tipps reichlich spät.

"Eine kirchliche Eheschließung ist dem Herrn wohlgefällig." Welchem Herrn? Hier geht es doch wohl um Gott und nicht um einen mittelalterlichen Lehensherrn. Das ist, mit Verlaub gesagt, Blabla. Das Ehesakrament spenden sich die Eheleute selbst. Die Kirche kann allenfalls dem Ehepaar einen Segen zusprechen. Und einen schönen Rahmen bieten.

Der geneigte Leser des Textes gewinnt den Eindruck, als habe man mit dem Beitrag schnell, schnell auf eine Weisung von "oben" reagieren müssen, weil Ehe und alles, was damit zusammenhängt, jetzt wieder zentrales Thema ist. Mit welchem Recht mischt die Kirche sich hier immer wieder ein?

Das Ganze klingt halt doch sehr altbacken-bemüht. Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen die Menschen scharenweise davonlaufen!

















Mittwoch, 11. Mai 2016

Zwei Zitate

"Wenn ich das Oben Gott und das Unten Mensch nenne, sind sie dann voneinander getrennt oder eins, sind sie Teil ein und derselben Wirklichkeit oder nicht?
Wer bin ich ohne ihn?

Aber ich kann meine Gedanken weiterdenken: 'Und wer ist er ohne mich?'
Wenn es stimmt, dass ich mich ohne ihn als ein Nichts fühle im Dunkel und im leeren Raum, wie kann er sich ohne mich fühlen? ..."

[Carlo Carretto. Warum, Herr? Erfahrungen der Hoffnung über das Geheimnis des Leids]



"Wenn das einzige Gebet, das du in deinem ganzen Leben sagst, danke ist, wird das genug sein."

[Meister Eckhart]













Dienstag, 10. Mai 2016

Tatsachenberichte oder nicht?

Wenn die Kirchenleitung im Vatikan zugeben könnte, dass die Evangelien keine historisch-exakten Berichte über das Leben Jesu sind, sondern Erzählungen für die jeweiligen Gemeinden, die (nach M. J. Borg) "die Erfahrung und die Glaubensinhalte der frühen Kirche wiedergeben" - denn die Forschung hatte unmissverständlich klar gemacht, "dass jedes Ereignis und jedes Wort Jesu durch die Augen und durch die Hände der jungen Kirche gestaltet worden ist" -, wenn, ja wenn die Kirchenspitze dies anerkennen würde, dann wären viele Probleme entweder gar nicht entstanden oder, falls sie noch bestehen, in kürzester Zeit gelöst.

Dann hätte man die sogenannten Häretiker nicht hinrichten müssen, dann wäre Luther auf der Suche nach dem gnädigen Gott viel Glaubenspein erspart geblieben, dann wären die Schismen im Nu überwunden, dann wären Zölibat und Frauenordination "kein Thema". Dann hätten wir fast von heute auf morgen eine ganz andere Kirche. 

Dann hätten wir eine Kirche, in der nicht permanent über Buße und Beichte und was weiß ich noch alles gepredigt werden muss. Wir hätten eine wirklich menschenfreundliche Kirche.


"Bibelauslegung ohne Interessen gibt es nicht", schreibt Marie-Theres Wacher in der Herderkorrespondenz Spezial v. April 2016.

Evangelien ohne Interessen gibt es nicht, sage ich mit Bezug auf die moderne Bibelwissenschaft.










Montag, 9. Mai 2016

Der unsägliche Zölibat

"1000 Jahre nach Christus haben viele Priester mit ihren Familien und der Gemeinde Eucharistie gefeiert. Christus war mitten unter ihnen. Im Gebet vereint, trugen sie auch Verantwortung füreinander, weil ihnen Christus in jedem Menschen begegnete.
Erst im Jahr 1139 wurde der „Pflicht“- Zölibat eingeführt, unter anderem des Geldes wegen, damit die Einkünfte der Priester und ihr gesamtes Eigentum bei deren Tod an die Institution Kirche zurückfällt und nicht an die eigene Familie vererbt werden kann.
Auch heute ist es eine Tatsache, dass die Institution Kirche die allgemeine Erklärung der Menschenrechte nicht unterschrieben hat. Denn dort heißt es: „Jeder Mensch hat ein Recht auf Ehe.“ Damit grenzt das Festhalten der katholischen Kirche am Pflichtzölibat an Menschenrechtsverletzung.
In der Institution Kirche wird bei jeder Gelegenheit behauptet, dass die Feier der Eucharistie das Herzstück unseres katholischen Glaubens sei. Das ist ein großer und gewaltiger Irrtum! Denn: Über der Eucharistie steht der „Pflicht“- Zölibat! Ohne ihn, das heißt, ohne einen zölibatär lebenden Priester, kann Eucharistie nicht gefeiert werden.
Der Heilige Geist hat somit eine neue Erkenntnis über den Zölibat als „Pflicht“ (Im Gegensatz zum Zölibat als Charisma, der immer von einigen gelebt wurde und wird) ans Licht gebracht. Gesehen als eine Verhinderung der Eucharistie ist er ein „ Krebsgeschwür“ der katholischen Kirche, das mit Riesenschritten vorwärtsdrängt, um unser kostbarstes Gut, den Glauben an Jesus Christus, zu zerstören."


Den Vatikan interessiert das alles nicht. Hat doch der hochwohlgelehrte Herr Ratzinger allen Ernstes den Zölibat als heilig bezeichnet. Wir lernen: Gegen Ignoranz ist kein Kraut gewachsen.












Woher kommt der Mensch?

Interessantes Seminar über Atheismus mit einem höchst kundigen Referenten. 

Wir stehen in einer der Kaffeepausen zusammen, als jemand fragt: Woher kommt der Mensch? Er gibt auch eine (seine) Antwort: Der Mensch hat seine Wurzeln im Tierreich, und irgendwann und irgendwo in Afrika hat es bei einer Affenart "Klick" gemacht, etwas Wesentliches hatte sich verändert. Zunächst unmerklich, dann immer deutlicher tritt das Bewusstsein seiner selbst, das Menschsein also, hervor. Die Spezies macht sich "die Erde untertan", steigert ihre Möglichkeiten quasi ins Unermessliche und ist heute im Begriff, die Biosphäre des Planeten und damit ihre eigene Lebensgrundlage zu zerstören. 

Das ist im Wesentlichen auch meine Sicht der Dinge. So füge ich hinzu: Es ist höchste Zeit, dass sich ein weiterer "Klick" ereignet, dass ein neues Bewusstsein hervorbricht und sich ausbreitet. Es wird immer dringender, dass die menschliche Spezies als Ganze die Erfahrung macht: Alles hängt zusammen, alles ist EINS. Dass der Mensch also sein Ego, sich selbst sozusagen, überschreitet. 

Genau das deutet Jean Gebser an, wenn er von der sich anbahnenden integralen Bewusstseinsstufe spricht, und das meint Willigis Jäger, wenn er sagt, der Mensch sei auf Transzendenz hin angelegt. 

Als ich von Transzendenz in diesem Sinne spreche, ernte ich ungläubiges Lachen. Es sind zwar durchaus sympathische, ernsthafte Seminarteilnehmer, aber die Erfahrungen eines Willigis und anderer moderner Mystiker sind ihnen fremd. 

Wie lange wird es dauern, bis das neue Bewusstsein sich im Großen manifestieren wird?

Konrad Lorenz hat einmal gesagt, Neues breite sich unterirdisch wie ein Pilzmyzel aus, und dann komme da und dort ein Schwammerl hervor. Schön! Warten wir's ab!













Sonntag, 8. Mai 2016

Wollte Jesus eine Kirche?

Ob bereits des historische Jesus an die Gründung einer Kirche gedacht hat und, falls dem so ist, welche Struktur er dafür gewollt hat, ist eine bis heute unentschiedene, aber heiß diskutierte Frage, hängt doch von ihrer Antwort die gesamte Legitimationsproblematik für die Kirchen, speziell die römisch-katholische und manche orthodoxe gegenüber einem anders gearteten Kirchenverständnis in den reformatorisch-evangelischen Kirchen ab.

[Peter Antes. Christentum. Eine religionswissenschaftliche Einrühfung]






Samstag, 7. Mai 2016

Ein Aufrechter

Kardinal Lehmann wird zu seinem 80. Geburtstag am 16. Mai 2016 von seinem Amt als Bischof von Mainz ausscheiden. Von 1987 bis 2008 war er Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, erst 2001 wurde er zum Kardinal "erhoben".

Ich habe Lehmann, auch wenn ich ihn nicht persönlich kenne, schon lange als "unabhängigen Geist" geschätzt und fühle mich durch eine seiner jüngsten Äußerungen wieder einmal bestätigt. In einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte er über seinen ehemaligen Schüler, den jetzigen Kurienkardinal Müller, dieser habe sich "verändert", wollte dies aber nicht weiter kommentieren. Zugleich verteidigte er Papst Franziskus, von dem Müller gesagt hatte, dieser sei in erster Linie Seelsorger und nicht "Berufstheologe". Lehmann betonte, die Äußerungen von Franziskus fußten auf einem "Fundament theologischer Prinzipien", nur dass er damit nicht ständig hausieren gehe. Er gehe mit der Berufung auf das Lehramt behutsam, aber durchaus selbstbewusst um.

Müller hingegen halte ich für einen Hardliner. Er hatte in seiner Zeit als Bischof von Regensburg Probleme mit dem ZdK und anderen Laienorganisationen. Jetzt als Kurienkardinal legt er Wert auf "klare Kante", die Dogmen scheinen ihm wichtiger zu sein als das gelebte Leben. So sagte er hinsichtlich einer Zulassung zur Kommunion für Wiederverheiratete: Verpflichtend sei nur der Besuch der Sonntagsmesse, nicht aber der Kommunionempfang. Punkt. 

Als ob nicht die Messe, die Eucharistiefeier, Mahlgemeinschaft wäre. Man ist zwar eingeladen, bekommt aber nichts, so einfach ist das.

Ein ganz schwaches Bild. Müller lebt in seiner eigenen, engen Welt, lebt rückwärtsgewandt in einer anderen Zeit.













Freitag, 6. Mai 2016

Religiöse Praxis

"Das gemeinschaftliche Abendmahl ... wird kaum noch als solches vollzogen (Teilnahme einmal im Jahr muss später vorgeschrieben werden). Es wird ersetzt durch die 'typisch katholische Messe', bei der die Aktivität des Volkes sich ganz auf das Zuschauen, auf das Sehen des sakralen Schauspiels des Klerus beschränkt....
Katholische Moral ist seit dem Mittelalter wesentlich Beichtmoral. Die nicht aus Rom, sondern aus der keltischen Mönchskirche stammende unbegrenzt wiederholbare Privatbeichte verbreitet sich erstaunlich rasch über ganz Europa. ...
Ein sexualmoralischer Rigorismus bricht auf breiter Front durch: Vom Klerus fordert man sexuelle Enthaltsamkeit, von den Laien keine Berührung der heiligen Gestalten. Männlicher Samen, ebenso wie Menstrual- und Geburtsblut, verunreinigen rituell und schließen vom Sakramentenempfang aus." 
Eine "typisch mittelalterliche Frömmigkeit" hat sich voll ausgebildet ...
[Hans Küng. Kleine Geschichte der katholischen Kirche]

Soweit also zur Kirche im Mittelalter. Ist es heute so sehr viel anders? Ein bisschen anders schon, vielleicht, wenn auch nicht viel anders. 

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis hat einen Fragebogen der ZEIT zu Amoris Laetitia beantwortet und dort u. a. gesagt, Sex werde überbewertet, Gott schenke uns mit der Fortpflanzung einen Blick in das Glück der Ewigkeit. Den Antworten auf die meisten Fragen weicht sie elegant und geschmeidig aus. Und sie ist sich sicher, dass der Papst die 2000-jährige Lehre nicht ändern könne, er und seine Mitarbeiter seien Verwalter der Lehre. Würde er die Lehre in wesentlichen Punkten ändern, wäre er häretisch und würde augenblicklich aufhören, Papst zu sein.

So einfach ist das alles. Klingt irgendwie noch sehr mittelalterlich. So wie ja die Lehre der Kirche, wonach Sex in der Ehe nur im Hinblick auf Fortpflanzung erlaubt ist, noch aus dem Mittelalter stammt.


Sex wird überbewertet, ja, da hat die Fürstin recht. Es ist aber anders, als sie mein, denn die Überbewertung geschieht im und durch den Vatikan. Die kirchliche Morallehre ist immer noch überwiegend eine Lehre sexueller Moral.

Quo vadis, ecclesia?













Papstworte zur heutigen Verleihung des Karlspreises

In seiner langen und umfassenden Rede bei der Verleihung des Karlspreises spricht der Papst Klartext. Er beschreibt einleitend den Zustand Europas und gibt seiner Hoffnung auf Erneuerung Ausdruck.

Der brennende Wunsch, die Einheit aufzubauen scheine immer mehr erloschen. Er sieht ein müdes und gealtertes Europa, das nicht fruchtbar und lebendig ist, wo die großen Ideale ihre Anziehungskraft verloren haben, ein heruntergekommenes Europa, das seine Fähigkeit, etwas hervorzubringen und zu schaffen, verloren zu haben scheint., Ein Europa, das versucht ist, eher Räume zu sichern und zu beherrschen, als Inklusions- und Transformationsprozesse hervorzubringen, ein Europa, das sich verschanzt, anstatt Taten den Vorrang zu geben ...
Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit, du Heimat von Dichtern, Philosophen, Künstlern, ... du Mutter von Völkern und Nationen, Mutter großer Männer und Frauen, die die Würde ihrer Brüder und Schwestern zu verteidigen und dafür ihr Leben hinzugeben wussten?
Er spricht davon, die Herausforderung anzunehmen, die Idee Europa zu aktualisieren, eines Europa, das imstande ist, einen neuen, auf drei Fähigkeiten gegründeten Humanismus zur Welt zu bringen: Fähigkeit zur Integration, Fähigkeit zum Dialog und Fähigkeit, etwas hervorzubringen ...
Usw. usf.

Es ist hier nicht der Platz, diese großartige Rede eines großartigen Mannes umfänglich zu exzerpieren. Doch beim Lesen ist mir der Gedanke gekommen, ob der Papst bei der Konzeption seiner Rede wohl die Kirche vor Augen hatte? Die europäische Kirche jedenfalls. Denn gerade auch für sie gelten - cum grano salis - diese Zustandsbeschreibungen und Hoffnungen. Der Papst selbst, sowie alle Entscheidungsträger in der Kirche täten gut daran, sich die überlegenswerten Gedanken auch für ihre eigene Gemeinschaft, die Kirche, zu Herzen nehmen.









Donnerstag, 5. Mai 2016

Himmelfahrt

Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel? Der nun - scheinbar - von euch gegangen ist, ist heimgekehrt zum Vater und ist allezeit bei euch.

So oder ähnlich steht's in der Apostelgeschichte. Und das ist der Kern des Himmelfahrtstages. Nicht der Mythos von der Auffahrt Jesu in den Himmel dort oben ist das Wesentliche, denn der Himmel ist schon da, hier und jetzt, unter uns, in uns. 

Halt an, wo laufst du hin
der Himmel ist in dir
suchst du ihn anderswo
du fehlst ihn für und für. [Angelus Silesius]

Hat nicht Jesus selbst immer wieder vom "Himmelreich" (von der Seinsform Gottes) gesprochen? Vom Reich Gottes, so klein wie ein Senfkorn. Gott hat sich nicht nur in Jesus inkarniert, sondern in jedem von uns, in allen Tieren, Pflanzen, Steinen, in der Schöpfung insgesamt. Gott und damit der Himmel ist auch hier. Die Schöpfung ist die Inkarnation des Logos, in dem Gott sich "am Anfang", vor aller Zeit, ausgesprochen hat. Man kann diese Wirklichkeit nicht beschreiben, nicht mit der Ratio durchdringen, man kann sie aber im Lebensvollzug, in der Stille hinter der Stille, erfahren.

Mit dem säkularisierten Feiertag, "Vatertag" genannt, kann ich nichts anfangen.







Dienstag, 3. Mai 2016

Die schuldlose Kirche

Der Papst meint, er müsse (in einer Predigt) die Gläubigen, die vom Weg abgekommen seien, kategorisieren: die Mumien-Christen, die Herumstrolchenden-Christen, die Sturkopf-Christen und die Halbwegs-Christen. [Fundstelle]

Mag interessant sein, man könnte sich darüber amüsieren, doch frage ich mich: Cui bono? Was hat die Kirche denn getan, um ihre "Gläubigen" nicht irregehen zu lassen? Die Sturkopf-Christen, um nur eine Kategorie herauszugreifen, sind die nicht bevorzugt dort zu finden, wo man immer alles besser weiß und wo man nicht bereit ist, auch nur einen Buchstaben in Vorschriften zu ändern: im Vatikan nämlich?

Die Papst-Predigt ruft in mir wieder die Erinnerung an einen Pfarrer wach, der in einem Gottesdienst sagte, er könne gar nicht verstehen, wie Menschen vor Gott Angst haben könnten. Es klang fast so, als mache er sich über diese Menschen lustig. Hat nicht die Kirche selbst jahrhundertelang die Angst vor Gott genährt?

Klar, die Kirche und ihre Rechtgläubigen fühlen sich nie betroffen, schuld sind immer die anderen. Das macht sie aber nicht glaubwürdiger, die Scheinheiligen.












Rehabilitierung Luthers

"Luther hat wie keiner in den 1500 Jahren Kirchengeschichte vor ihm wieder einen unmittelbaren existentiellen Zugang zu der schon bald nicht mehr ursprünglich verstandenen Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus gefunden, Diese Wiederentdeckung der paulinischen Rechtfertigungsbotschaft - unter den Verschiebungen, Verschüttungen, Verkleisterungen und Übermalungen von anderthalb Jahrtausenden - ist eine epochale theologische Leistung, die der Reformator selber stets der besonderen Gnade Gottes zuerkannt hat. Schon von diesem zentralen Punkt her sind eine formelle Rehabilitierung Luthers und die Aufhebung seiner Exkommunikation durch Rom überfällig. Sie wären einer jener Akte der Genugtuung, die dem Schuldbekenntnis des Papstes heute zu folgen hätte."

[Hans Küng. Kleine Geschichte der katholischen Kirche]







Montag, 2. Mai 2016

Institution Kirche

"Gewiss, Rom bittet im Hinblick auf die ungeheuren Irrtümer und Schandtaten der Vergangenheit neuerdings 'um Vergebung' - aber ohne Folgen für die Gegenwart, wo kirchliche Administration und Inquisition stets neue Opfer produzieren. Kaum eine der großen Institutionen geht in unserem demokratischen Zeitalter so menschenverachtend mit Andersdenkenden und Kritikern in den eigenen Reihen um und keine diskriminiert so die Frauen - durch Verbot der Empfängnisverhütung, der Priesterehe und der Frauenordination. Keine polarisiert weltweit so stark Gesellschaft und Politik durch rigoristische Positionen in Sachen Abtreibung, Homosexualität, Sterbehilfe und Ähnlichem. Und immer mit der Aura der Unfehlbarkeit, als sei es der Wille Gottes selber."

[Hans Küng. Kleine Geschichte der katholischen Kirche]








Sonntag, 1. Mai 2016

Frauen aller Länder!

Eine Pilgergruppe aus der Schweiz will 1000 Kilometer von St. Gallen nach Rom gehen, um, mit oder ohne Audienz beim Papst, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen: Männer sollen künftig nicht mehr ohne Frauen über die Aufgabe und Rolle der Frauen in der Kirche entscheiden. [Fundstelle] Der Ortsbischof unterstützt das Anliegen. Beginn der Unternehmung wird am 2. Mai, also am Anfang des sogenannten Marienmonats, sein. Das passt!

Mitpilgern kann ich aus persönlichen Gründen, so sehr es mich reizen würde, leider nicht. Aber ich wünsche der Gruppe viel Erfolg! Die Aktion ist im Grunde überfällig: Alte, oft schon greisenhafte, starrköpfige Männer im Vatikan und anderswo beschließen über die Frauen, die Mehrheit unter den Gläubigen, so wie es im Patriarchat halt immer war. Aber die Zeit des Patriarchats und des Mittelalters ist lange vorbei, was die Kirche erst noch zur Kenntnis nehmen muss.

Ihr Frauen, zieht so lange um den Vatikan herum, immer wieder und immer wieder, bis seine Mauern, wie schon weiland die Mauern von Jericho, in sich zusammenstürzen. Spätestens dann wird man euch Gehör schenken!

Ach, ja, was ich noch sagen will: Wenn gar nichts hilft, dann, Frauen aller Länder, vereinigt euch und tretet gemeinsam aus der Kirche aus! (Passt irgendwie auch zum 1. Mai). Dann werden die männlichen Kirchenführer euch und euer Anliegen bestimmt wahrnehmen. Falls ihr dann Erfolg haben werdet, könnt ihr gerne wieder eintreten.