Mittwoch, 30. September 2015

Das kleine Nichts

Ich bin das kleine Nichts, sagte sie von sich selber, die kleine Araberin Mirjam Bauardy aus dem galiläischen Dorf Abellin (1846 - 1879), die mit 21 Jahren Karmelitin wurde. Sie war eine des Lesens und Schreibens kaum kundige Mystikerin und trifft mit ihrer Selbstcharakterisierung genau den Punkt. Nichts. Alles, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, alles Geschaffene hat keine Existenz aus sich, das wird heute von der modernen Physik bestätigt: Es gibt keine Materie, alles geht permanent aus dem Urgrund hervor: Wahrscheinlichkeitswellen, oder wie man das auch nennen mag.

Gott war für Mirjam das grosse Alles, und sie war für ihn das kleine Nichts. Diese Größe Gottes und dieses Nichts des Geschöpfes hat sie mit ihrer ganzen Überzeugung und ihrer orientalischen Leidenschaft erlebt, ohne jedoch der Masslosigkeit des Muslims zu verfallen, so heißt es in ihrer mehr als erstaunlichen Biographie. 

entnommen aus Brunot: Licht vom Tabor. Mirjam die kleine Araberin.




Dienstag, 29. September 2015

Wahrheit

Kein Mensch hat die Kraft, einen anderen die Wahrheit zu lehren; der Mensch muß die Wahrheit in sich selbst erkennen. Der Lehrer vermag zu sagen: Dies ist der Weg, geh nicht in die Irre. Der Einweihende vermag seinen Schüler auf jenen Weg zu bringen, auf dem er desto mehr erhält, je weiter er geht. Aber der erste Schritt ist der schwerste.

[Hazrat Inayat Khan: Wanderer auf dem inneren Pfad]




Montag, 28. September 2015

Die Zusammenkunft

Bald wird sie beginnen, die Zusammenkunft der Bischöfe, genannt Synode.

Für viele der Bischöfe steht die kirchliche Lehre und die sogenannte Tradition wie ein unverrückbarer Monolith im Raum. Sie haben Angst vor Veränderung. Der Papst, der immer wieder versucht, Dynamik in die Angelegenheit zu bringen, muß wohl mit erheblichem Gegenwind von seiten der berufsmäßigen Bedenkenträger rechnen. Die Bischöfe Zdarsa (Augsburg) und Ostler (Passau) scheinen zu den Bremsern zu gehören, sind zum Glück aber keine Synodenmitglieder, und bei Kardinal Marx weiß ich nicht so recht, woran ich bin. Man dürfe sich von der Synode nicht zu viel erwarten, lautet seine wiederkehrende Warnung.

Es gibt zum Glück auch andere Synodenteilnehmer wie zum Beispiel den Osnabrücker Bischof Bode, der sagt, daß die Kirche die tiefe Kluft zwischen der Lehrmeinung und dem konkreten Leben nicht ingnorieren dürfe. 

Der Erzbischof von Philadelphia, Chaput, meint, die größte Herausforderung für die Synode komme in ihrem Arbeitsdokument gar nicht vor. "Sehr viele Leute – anständige Menschen, die sich als gute Katholiken verstehen – führen ihr Leben auf eine Weise, die praktischem Atheismus näher ist als echtem Glauben. Ihr moralisches Vokabular ist christlich, aber den Inhalt passen sie ihren Bedürfnissen an. Ich glaube nicht, dass Jesus solch ein Evangelium im Sinn hatte, als er für uns am Kreuz starb." Weiß der Mann eigientlich, wovon er spricht? [Fundstelle]



Sonntag, 27. September 2015

Kabir

There is nothing but water at the holy bathing places; 
and I know that they are useless, for I have bathed in them.
The images are all lifeless, they cannot speak;
I know, for I have cried aloud to them.
The Purana and the Koran are mere words; 
lifting up the curtain, I have seen.
Kabir gives utterance to the words of experience; 
and he knows very well that all other things are untrue.

[taken from Songs of Kabir. Translated by Rabindranath Tagore]

Es ist nichts als Wasser in den heiligen Becken,
ich weiß es, ich bin in ihnen geschwommen.
Alle die Götter-Skulpturen aus Holz und Elfenbein sagen kein Wort,
ich weiß es, ich habe sie angeschrieen.
Die heiligen Bücher aus dem Osten sind nichts als Worte,
ich habe sie alle an einem Tag durchblättert.
Das, wovon Kabir spricht, ist nur das, was er durchlebt hat.
Wenn du irgendetwas nicht durchlebt hast, ist es nicht wahr
.




Samstag, 26. September 2015

Mächtige - wie lange noch?

Die Mächtigen stürzt er von Thron und erhöht die Niedrigen, ... die Reichen läßt er leer ausgehen. So ein paar Verse im Magnificat. 

In der esoterischen Welt von heute wird gesagt, wir lebten in einer Zeit, in der Machtverhältnisse zu wanken beginnen und umgestürzt werden, in der die alte "Ordnung" nicht mehr gilt. Das ist im Grunde nichts neues: Auch das gewaltige römische Imperium ist in sich zusammengefallen.

Und das ist es, was wir auch heute beobachten können, wir brauchen nicht einmal ein Menetekel zu beschwören: Der VW-Konzern geht auf Grund von Arroganz und Überheblichkeit in die Knie und könnte Deutschland als Wirtschaftsstandort gefährden, Energiekonzerne stehen vor dem Konkurs, das fragile Gebilde Europa beginnt zu wackeln, droht  auf Grund unausrottbarer Egoismen auseinander zu fallen, und auch die Kirche gerät immer mehr in die Defensive, ihr Machtgebäude wird in Frage gestellt, die Drohkulissen werden nicht mehr ernst genommen. "Canossa" ist vorbei. Die Kirche tanzt um das goldene Kalb der Selbstzufriedenheit, der Unantastbarkeit, der Rechthaberei. Daran wird auch die charismatisch wirkende Gestalt eines Franziskus nichts ändern können. 

Nichts ist schlimmer, als an Überholtem festzuhalten. Wandel, Veränderung sind angesagt. 



Freitag, 25. September 2015

Anklammern

Wenn Sie sich anklammern, sagt Anthony de Mello, ist das Leben zerstört. Wenn Sie an etwas festhalten, hören Sie auf zu leben. Diese Erfahrung durchzieht das ganze Evangelium. ... Wenn Sie nach der Wahrheit suchen, müssen Sie es selbst tun. Sie können sich dabei auf niemanden stützen.

Was tut die Kirche? Sie klammert sich an das "Wort", an die Überlieferung, die ehrwürdige Tradition, sie hält verbissen an Dogmen und Lehrmeinungen fest. Und merkt nicht, daß sie am Wesentlichen vorbei geht.

Anmerkung.
Anthony de Mello, 1931 - 1987, war kein Sektierer oder Häretiker. Auch wenn man ihn in früheren Zeiten wohl als Häretiker verbrannt hätte. Er war Jesuit, gesuchter geistlicher Berater und Begleiter, zuletzt Direktor eines pastoralen Beratungs- und Ausbildungszentrums in Lonavla/Indien.



Donnerstag, 24. September 2015

Was will Gott?

Was will Gott? Nichts! Er will nicht unser Wohlverhalten, braucht nicht unsere Dogmen und nicht unsere Gottesdienste, wünscht sich nichts von uns. Absolut nichts.

Gott ist nicht ein von uns getrenntes Gegenüber, zwar nicht sichtbar, aber allmächtig und allwissend und was nicht noch alles. Sondern Gott ist alles, was ist. Gott hat sich in seiner Schöpfung inkarniert, er ist in seiner Schöpfung präsent, er ist diese Schöpfung, er ist der Urgrund, aus dem alles permanent hervorgeht. Und weil das so ist, weil er alles ist, braucht er nichts, kann er nichts darüber hinaus wünschen. 

Ich bin, der ich bin, so spricht er von sich im Alten Testament. Ein schöner Satz. Mehr läßt sich über Gott nicht sagen. 

[Frei nach Donald Neale Walsch]





Mittwoch, 23. September 2015

Anfang in den Kinderzimmern

Als Astrid Lindgren 1978 in der Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm, sagte sie, daß Aggression und Krieg ihren Anfang in den Kinderzimmern nehmen. "Auch künftige Staatsmänner und Politiker werden zu Charakteren geformt, noch bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht haben - das ist erschreckend, aber es ist wahr." (vgl. Spiegel Nr. 39/20159)

Ja, es ist wahr. Und das gilt nicht nur für künftige Staatsmänner und Politiker, es gilt in gleicher Weise für kirchliche Amtsinhaber und Würdenträger. Auch ihre grundsätzliche Einstellung und Haltung wird in den ersten Lebensjahren geformt. Barmherzigkeit oder Rigidität, Offenheit oder Abgrenzung gegenüber anderen, Lebendigkeit oder Starre ... 

An seinen Einstellungen zu arbeiten, ja sie erst einmal wahrzunehmen, ist eine Lebensaufgabe, nicht nur für Politiker oder Kirchenfürsten, sondern für jeden einzelnen Menschen. Einstellungsänderungen sind mit das Schwerste, was jemand leisten kann, das weiß man aus der Psychologie. Und gerade deshalb ist es so unglaublich wichtig, daß in sozialen Berufen tätige Menschen an sich arbeiten.

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, sagte der jüdische Wanderprediger Joshua, genannt Jesus.



Dienstag, 22. September 2015

Wenn das so ist ...

Es war einmal ein Mann, der zu einem Priester ging und bat: Herr Pfarrer, ich möchte, daß Sie eine Messe für meinen Hund lesen. Der Priester war empört: Was soll das heißen, eine Messe für Ihren Hund zu lesen? Er war mein Schoßhund, sagte der Mann. Ich habe diesen Hund geliebt und möchte, daß Sie für ihn eine Messe lesen.
Der Priester wehrte ab: Wir feiern keine Messen für Hunde. Versuchen Sie es doch bei der Konfession um die Ecke. Fragen Sie dort, ob Sie eine Messe haben können.
Schon an der Tür, drehte sich der Mann noch einmal um und sagte: Zu schade, ich habe diesen Hund wirklich geliebt. Ich wollte für die Messe eine Spende von einer Million Dollar machen.
Darauf der Priester prompt: Warten Sie doch! Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, daß der Hund katholisch war?

[aus Anthony de Mello: Der springende Punkt]





Montag, 21. September 2015

Diskrepanz

Endlich hat einer den Mut, auszusprechen "was Sache ist".

Viele Menschen, schreibt Ulrich Waschki, "bekommen schlichtweg die Botschaft eines barmherzigen Gottes nicht zusammen mit der unbarmherzigen Verurteilung von Lebensmodellen, die nicht dem Ideal entsprechen ..." (Die nicht dem kirchlichen Ideal entsprechen, hätte er schreiben sollen, denn für jeden Menschen mag es für die Gestaltung seines eigenen Lebens ein anderes Ideal geben.)

Wenn die Kirche wieder ernstzunehmender Gesprächspartner in Sachen Ehe und Familie werden wolle, müsse die Synode einen Perspektivwechsel schaffen. Nach all den Bremsversuchen von verschiedensten Seiten dürfte allerdings ein großer Wurf nicht zu erwarten sein. Der Bedenkenträger sind wohl zu viele.

Die Kirche weiß immer sehr genau, wie die anderen handeln sollten, aber sie ist blind für das, was in eigenen Reihen notwendig ist. Man verschanzt sich hinter Dogmen, Tradition und versteckt sich in Bischofspalästen oder in vatikanischen Gemächern.


[http://www.katholisch.de/aktuelles/standpunkt/die-kirche-setzt-zu-stark-auf-wunder]





Sonntag, 20. September 2015

Thomas

Thomas ist ein einprägsames Beispiel für die Entsinnlichung und Entmythologisierung der alten Heiligengestalten, die von der Kirche unter unseren Augen bis heute zielstrebig weitergetrieben wird. Seit Jahrhunderten wurde Thomas als der Heilige des Mittwinters verehrt. Er trat hervor aus dem Dunkel der längsten Nacht, und sein reiches, in vorchristliche Zeiten zurückweisendes Brauchtum entsprang diesem ganz besonderen Sinn seines Tages im jahreszeitlichen Ablauf. Nun hat im Jahr 1969 Rom, um solche Reste der alten naturheiligen Vorstellungen abzustreifen, im Zuge der sogrnannten 'Kalenderreform' den Thomastag vom 21. Dezember auf den 3. Juli verlegt. Damit ist der Heilige von seinen Wurzeln abgeschnitten. Er hat seinen naturreligiösen Hintergrund verloren.

[aus Lore Kufner: Getaufte Götter]





Samstag, 19. September 2015

Eigennutz?


Ich sage nicht, daß es so etwas wie die reine Motivation nicht gibt. Ich sage nur, daß gewöhnlich alles, was wir tun, in unserem eigenen Interesse geschieht. Alles. Wenn Sie etwas aus Liebe zu Jesus tun, ist das Eigennutz? Ja. Wenn Sie etwas aus Liebe zu irgend jemand tun, tun Sie das in Ihrem eigenen Interesse.
...
Die schlimmste Form ist, wenn Sie etwas tun, um kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie tun es nicht gern und müssen sich dazu zwingen, es widerstrebt Ihnen. Sie machen Freundschaftsdienste, aber es geht Ihnen gegen den Strich. Sie protestieren? Dann wissen Sie nicht allzuviel von sich selbst, wenn Sie meinen, daß Sie das noch nie getan haben.

[aus Anthony de Mello: Der springende Punkt]





Freitag, 18. September 2015

Geld - was sonst?

Kirche will lieber Geld als Flüchtlinge, heißt es in der SZ vom 17. September, und in der Tat: In einer Pfarrei der Diözese München, Landkreis Ebersberg, steht seit längerem ein für die Unterbringung von Flüchtlingen geeignetes Gebäude, ein Gasthaus, leer. Der Landkreis würde es anmieten. Das Ordinariat als Eigentümer versucht jedoch, bisher vergeblich, das Objekt zu verkaufen, Mindestgebot 368.000 €. Für Flüchtlinge sei es angeblich nicht geeignet.

Wie war das noch mit Tebartz van Elst, der für seine Bischofsresidenz in Limburg horrende 30 Millionen Euro ausgegeben hat?


Nicht ganz so teuer war ein Gästehaus, das der Münchner Kardinal Marx gekauft hat. Ich frage mich, wozu die Diözese ein 10 Millionen Euro teures Gästehaus in Rom benötigt, auch wenn es sich, wie zu lesen war, nun selbst tragen soll. Marx werde bei seinen Romaufenthalten nicht einmal drin wohnen.

Und vor allem frage ich mich, warum sich die Kirche als Institution in ihrer Morallehre vornehmlich auf die Sexualität kapriziert - ihre Würdenträger müssen sie verdrängen, will sagen: unterdrücken - und zum Beispiel das Thema Geld und Besitztümer weitgehend außen vor läßt. Ach ja, die Tradition! 

Was würde wohl Jesus sagen?







Donnerstag, 17. September 2015

Nicht gar so rigide ...

Heute lese ich auf Twitter:

PopeFrancis to heads of rel.communities:
Don't be so rigid with rules. Being too oppressive smothers dreams, creativity, missionary spirit ...

Die Botschaft ist schön zu hören: Geht doch nicht zu rigide mit den Regeln, mit den Bestimmungen und Vorschriften vielleicht sogar mit den Kirchengeboten um.

Der Papst sollte die Aufforderung an seine Kurie, an die hohen Prälaten, ja an die Kirche insgesamt richten. Aber das tut er nicht, weil er dann die Kirchengebote von den Dogmen trennen müßte. Und die Dogmen sind ja unveränderlich, weil sie vom Geruch der Infallibilität und damit der Heiligkeit umgeben sind. Nein, das sind sie nicht, sie sind genauso zeitbedingt wie alles andere Irdische auch.

Schade nur, daß die hohen Kirchenfürsten so gern bei anderen sehen, was sie zu tun oder zu lassen haben, nicht aber bei sich selbst. Dabei ist dieser Papst eher ein Hoffnungsschimmer in dem hochverkrusteten Apparat. Letztlich ist auch er ein Befangener, wenn nicht ein Gefangener.

Mittwoch, 16. September 2015

Romano Guardini

Aus einem Buch, das mir zu einer Zeit geschenkt wurde, als ich noch rechtgläubig war:

O Gott, Du trägst alles Seiende über dem Abgrund des Nichts und durchströmst es mit Deiner Macht, so daß es ist, und sich regt, und lebt. Und allen Dingen hast Du einen Funken Deiner Klarheit eingegeben, denn nur von Dir, dem Vater des Lichtes, haben sie ihre Wahrheit und ihren Wert. ...

Schöne Worte, gute Worte, sie stammen von keinem Geringeren als Romano Guardini. Wirklich schön. Und doch wirken sie auf mich, als würde Guardini Gott und die "Wesenheiten" als getrennte Entitäten sehen.

Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. Und das ist der Grund, daß ich das Büchlein "Theologische Gebete" wie viele andere auch weggeben werde.



Dienstag, 15. September 2015

Wahrheiten

Unsere höchsten Wahrheiten sind nichts als Halbwahrheiten;
Denke doch nicht, du könntest dich bei irgendeiner Wahrheit für immer ruhig niederlassen.
Gebrauche sie wie ein Zelt für eine Sommernacht,
Doch mache kein Haus daraus, es wird dir zum Grabe.
Wenn es dir zuerst zu dämmern beginnt, daß sie nicht ausreicht,
Und wenn eine nebelhafte Gegenwahrheit dahinter schwach aufleuchtet,
So weine nicht, sag vielmehr Dank:
Es ist die Stimme des Herren, die flüstert;
"Nimm dein Bett und wandle".

[Earl Balfour, zit. nach Sir George Trevelyan]

Montag, 14. September 2015

Unüberbietbar

Gott sei in Jesus Mensch geworden, so sagen die Theologen, und das sei unüberbietbar.

Ja, Gott wurde Mensch, in Jesus und genauso in jedem anderen Menschen, er inkarnierte sich in den Tieren, den Bäumen und Pflanzen, in den Steinen. In seiner Schöpfung hat Gott Gestalt angenommen.

Unüberbietbar? Wer weiß das? Wie kann ein Theologe einerseits sagen, von Gott könnten wir nichts wissen und andererseits von ihm behaupten, dies oder das von ihm "Gemachte" sein unüberbietbar? Ein Widerspruch in sich, der deutlich macht, daß wir von Gott schlichtweg nicht reden können.

Um es mit einem Zen-Wort auszudrücken: Das Wort "Gott" ist wie der Finger, der auf den Mond zeigt, es ist nicht der Mond selber.

Sonntag, 13. September 2015

Das Wesen


Mensch, werde wesentlich!
Denn wenn die Welt vergeht,
Dann fällt der Zufall weg,
Das Wesen das besteht.

[Angelus Silesius]

Samstag, 12. September 2015

Jetzt reicht's!

In einem internen Dossier, so heißt es in Christ und Welt (Nr. 37/2015) kritisieren hochrangige Geistliche im Vatikan die jüngsten Entscheidungen des Papstes.

In der Kurie werde Gift und Galle gegen Franziskus gespuckt, man habe dem Papst endgültig den Kampf angesagt. Es zirkuliere ein Dossier, in dem die vermeintlichen Sünden das Papstes systematisch aufgelistet sind. Viele Monsignori, die nominell an den Schaltstellen der Weltkirche sitzen, seien außer sich. Mit der Erleichterung der Ehenichtigkeits-Prozesse, so einer der Hauptvorwürfe, werde de facto die "katholische Scheidung" eingeführt. Usw. usf.

Barmherzigkeit hin, Barmherzigkeit her, die hohen Herren fürchten schlichtweg um ihre Pfründe. Um ihre Macht. Um ihren Einfluß. Warum hat sich der Papst nach seiner Wahl denn nicht mit loyalen, vertrauenswürdigen Menschen umgeben, warum hat er den verknöcherten Apparat denn nicht verkleinert oder abgeschafft? Wie war das noch seinerzeit mit Augias ...?

Ja, sie haben recht, die purpurtragenden hohen Prälaten. Sie sind zu weit gegangen, sie gehören ihrer Ämter enthoben. Jetzt reicht's!



Freitag, 11. September 2015

Klare Kante

Im jüngsten Spiegel-Dialog (Nr. 37/2015) zeigt sich der Münchner Kardinal als eloquenter, geschmeidiger Gesprächspartner. Beim Thema Flüchtlinge zeigt er sich schockiert, es sei entsetzlich, was da passiert. Auf die Frage, ob die Stimme der Kirche nicht lauter sein müsse, sagt er: Wir sprechen es aus, wir predigen, wir schweigen nicht. Und weiter: Es sei die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die ihm Sorge mache, europaweit nehme eine Tendenz zu, die etwas "retro" orientiert und provinziell ist. ... "Wir müssen einen neuen geistigen Schwung aufbringen für das, was Europa einmal sein soll. Dazu brauchen wir ein frisches Denken, sonst zerbröselt alles in Eigeninteresse ..." Und schließlich auf die Frage: Wer führt den innerkirchlichen Widerstand gegen den Papst eigentlich an?" Marxens Antwort: "Gibt es den? Bei mir hat sich noch keiner gemeldet ..."

Schöne Worte, großteils wahre Worte. Aber die "klare Kante" vermißt er eher bei anderen als bei der Kirche oder bei sich selbst. Man müsse jedem, der in diesem Land verantwortungsvoll sein bürgerliches Leben führen will,sagen: Du solltest schon überlegen, hinter welcher Fahne und Parole du herläufst, denn dann sitzt du auch mit im Boot.

Nun, die Bischofssynode wird bald beginnen. Spätestens dann sollte der Kardinal sich an seine Worte erinnern und sich fragen, ob er etwa "retro" und provinziell orientiert ist, ob er das dringend notwendige frische Denken aufbringen kann, oder ob die Kirche insgesamt im "Eigeninteresse" zerbröselt, kurz: Er sollte sich überlegen, hinter welcher Fahne er selbst herläuft.

Ach ja, und irgend jemand sollte ihm einmal nahelegen, seinen ungepflegt wirkenden Stoppelbart zu rasieren ...



Donnerstag, 10. September 2015

Erziehung


Es ist ... "sehr wichtig, die richtige Art von Erziehung zu haben. Dazu muß der Erzieher selbst richtig erzogen sein, so daß er Unterrichten nicht nur als ein Mittel betrachtet, um den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern fähig wird, dem Lernenden zu helfen, alle Dogmen hinter sich zu lassen und nicht in irgendeiner Religion oder einem Glauben gehalten zu werden. Die Leute, die auf der Grundlage religiöser Autorität zusammenkommen, oder um bestimmte Ideale anzustreben, sind alle mit sozialer Reform befaßt, was nur wie das Schmücken von Gefängnismauern ist. Nur der wahrhaft religiöse Mensch ist wirklich revolutionär; und es ist die Aufgabe der Erziehung, jedem von uns zu helfen, im wahren Sinn des Wortes religiös zu sein, denn nur in dieser Richtung liegt unsere Rettung.

[Jiddu Krishnamurti: Antworten auf Fragen des Lebens]





Mittwoch, 9. September 2015

Halt an!


Halt an. Wo laufst du hin?
Der Himmel ist in dir!
Suchst du ihn anderswo,
Du fehlst ihn für und für.

[Angelus Silesius]








Dienstag, 8. September 2015

Echo des Matriarchats

Heute am 8. September feiert die Kirche ein Marienfest: Mariae Geburt.

Richard Fester hat gezeigt: In allen Sprachen der Menschheit kommen alle Worte, die mit Herrschen zusammenhängen, aus weiblichen Wurzeln ...

Daß auch Richter und Priester ursprünglich Frauen waren, können wir noch heute in jedem Gerichtssaal und in jeder Kirche an den Roben, Kutten und Talaren sehen, die sie tragen: Frauenkleider also, die die Männer - um glaubhaft zu bleiben - weiterhin tragen mußten, als sie den Frauen diese "Jobs" abnahmen. Cato hat das noch gewußt: Deshalb - so erklärte er - trugen die Senatoren im alten Rom Togen; sogar sie - die doch inzwischen wirklich die Macht hatten - brauchten weibliche Kleidung, um dem "Volk" ihre Würde begreiflich machen zu können.

[Joachim Ernst Berendt: Das Dritte Ohr]

Sonntag, 6. September 2015

Gott

Der Priester war fest entschlossen, dem Meister eine unzweideutige Glaubensaussage über Gott zu entlocken.

Glaubst du, daß es einen Gott gibt?

Natürlich glaube ich das, antwortete der Meister.

Und daß er alles geschaffen hat, glaubst du das?

Ja, ja, sagte der Meister, bestimmt glaube ich das.

Und wer hat Gott geschaffen?

Du, erwiderte der Meister.

Der Prediger schaute ihn entgeistert an. Willst du mir im Ernst erzählen, daß ich Gott geschaffen habe?

Den, über den du ständig nachdenkst und sprichst - ja!" sagte der Meister ruhig.

[Anthony de Mello]



Die Macht der Worte

Von allen zerstörerischen Waffen, die der Mensch erfunden hat, ist die schlimmste - und die feigste - das Wort.
Dolche und Feuerwaffen hinterlassen eine Spur aus Blut, Bomben zerstören Häuser und Straßen. Gift kann festgestellt werden.

Der Meister sagt:
Das Wort zerstört, ohne Spuren zu hinterlassen. Kinder werden jahrelang von ihren Eltern dressiert, Männer werden erbarmungslos kritisiert, Frauen werden systematisch von den Bemerkungen ihrer Männer erniedrigt. Gläubige werden von denen von der Religion ferngehalten, die glauben, allein sie könnten Gottes Worte deuten.
Finde heraus, ob du diese Waffe gegen andere benutzt. Finde heraus, ob andere diese Waffe gegen dich benutzen. Und lasse weder das eine noch das andere zu.

[Paul Coellho: Unterwegs. Der Wanderer]

Samstag, 5. September 2015

Gottesdienst

Der Gottesdienstbesuch sei sehr zurückgegangen, wird geklagt, fast 12 Millionen  "Besuche" jährlich waren es in den 50er Jahren, jetzt sind es 2,6 Millionen, nur an den Hochfesten sind die Kirchen gerammelt voll.

Gottesdienstbesuch? Der Pfarrer "liest seine Messe", die (mehr oder weniger) Gläubigen besuchen die Veranstaltung. Manchmal singt der Kirchenchor.
Seltsam: Sollte die Messfeier nicht etwas Gemeinsames sein, ein Mahl, eine Gedächtnisfeier derjenigen, die Jesu Worte ernst nehmen. "Tut dies zu meinem Gedächtnis", soll Jesus gesagt haben.

Wie ist die Realität? Man betritt den Kirchenraum, stellt sich auf einen freien Platz in einer Kirchenbank, die Anwesenden nehmen den Neueintretenden meist kaum zur Kenntnis, man wartet schweigend, bis ein Glockenzeichen den Eintritt des Pfarrers ankündigt. Die Messe beginnt. Viel später, irgendwann kurz vor Ende der Veranstaltung, werden die Anwesenden aufgefordert, sich den umstehenden Nachbarn zuzuwenden und sich gegenseitig Frieden zu wünschen. "Friede sei mit dir!" Da endlich schaut man sich an, nimmt voneinander Notiz. Vielleicht lächelt man sogar.

Und das Mahl? Das Mahl erschöpft sich in einer "Kommunionausteilung", die Gottesdienstbesucher gehen nach vorn, wo der Pfarrer oder einer seiner Helfer ihnen eine Hostie überreicht. Der Pfarrer hat seine Hostie schon vorher gegessen, es ist ja auch "seine" Messe, da darf man das um Gottes Willen nicht als Unhöflichkeit interpretieren.

Solange man die Menschen so "abspeist", wird auch eine Neu-Evangelisierung, von der Kurienmann Müller gern spricht, nichts ändern.


Freitag, 4. September 2015

Ablaß

Im Heiligen Jahr wird vom Heiligen Vater die Heilige Pforte geöffnet, damit die Gläubigen, wenn sie diese Pforte durchschreiten, einen Ablaß gewinnen können. Kostenlos. Falls sie die Rahmenbedingungen - Beichte und Kommunion - erfüllt haben.

Kranke, Behinderte oder Gefangene müssen dazu nicht eigens nach Rom kommen, Die heilige Pforte mag dann zum Beispiel die Tür zu ihrer Gefängniszelle sein.


Nur die Exkommunizierten haben diese Möglichkeit nicht, sie haben halt Pech. Haben sich ihre Situation zudem selbst zuzuschreiben.


Der Papst versucht erneut, ein Zeichen der Barmherzigkeit zu setzen. Aber es gelingt nicht wirklich, denn er merkt nicht, wie sehr er noch im Mittelalter gefangen ist. Ablaßhandel wie seinerzeit wird zwar nicht mehr betrieben, aber die Kirchenführung bleibt im Außen, ist mir ihrer Werkgerechtigkeit zufrieden.


Es gelingt dem Papst nicht, über seine in vielen jesuitischen Jahren eingeübte "Denke" zu springen. Er spürt zwar, daß sich vieles ändern muß, doch hat er nicht den Blick für das wirklich Wesentliche. Das Wesentliche ist nicht außen, sondern innen.

Donnerstag, 3. September 2015

Meditation

Meditiere über das Zwiegespräch zwischen Meister und Schüler:

HÖRST DU DAS RAUSCHEN DES FLUSSES?
JA.
DAS IST DER WEG.

Meditiere nur dies. Meditieren heißt: Achtgeben. Aufmerksamsein. Aufmerksamkeit heißt: Nichts anderes tun als: Sitzen. Atmen. Aufgerichtet sein. Im Hara sein. Den Text hören, ihn er-hören. Der Text sein. Bis er zu einem Sound wird. Dieser Sound werden. Der Text beginnt dann nicht mehr mit dem Wort "Hörst" und endet nicht mehr mit "Weg". Alle Worte sind in dem Fluß, und der Fluß rauscht, und es ist   e i n   Rauschen.
Krishnamurti: Meditation ist wie der Fluß. Er kann nicht gezähmt werden, er fließt und fließt und überströmt seine Ufer. Er ist Musik ohne Klang. Er ist das Schweigen, in dem der Beobachter - sobald er eintaucht in ihn - aufhört zu sein.

[Joachim Ernst Berendt: Das Dritte Ohr, S. 361 ff]

Mittwoch, 2. September 2015

Barmherzigkeit?

Der Papst gibt sich alle Mühe, seiner Barmherzigkeit freien Lauf zu lassen.

Wie in der einschlägigen Presse zu lesen ist, "erlaubt" der Papst für befristete Zeit allen Priestern, Frauen die Sünde der Abtreibung zu vergeben. Wer abgetrieben oder auch wer eine Frau zur Abtreibung gedrängt hat, unterliegt automatisch der Exkommunikation. Davon können normalerweise nur der Bischof oder von ihm beauftragte Priester befreien, erst dann können die Betroffenen zur Beichte gehen.

Ist das nicht horrend? Zum einen: Alle Priester sollen im Heiligen Jahr (im Jahr der Barmherzigkeit) einer Frau die Abtreibung "vergeben" können! Eine Anmaßung, die ihresgleichen sucht. Vergeben, wenn es denn etwas zu vergeben gibt, kann allenfalls Gott. Zum anderen: Die vom Papst "gut gemeinte" Erlaubnis erlaubt einen Blick in tiefste Abgründe. So schlimm ist eine Abtreibung, daß sie mit der Exkommunikation belegt werden muß. Wenn aber ein geweihter Kirchenmann einen jungen Menschen mißbraucht und damit dessen Seele unermeßlichen Schaden zufügt, dann braucht er nur zu "bereuen" und zur Beichte zu gehen, und die Sache ist kirchenrechtlich erledigt. So war es zumindest bisherige Praxis. Was steht dazu im Neuen Testament? Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde ...

Franziskus in seiner großen Güte nähert sich auch der umstrittenen Pius-Bruderschaft an. Noch der Ratzinger-Papst hatte sie exkommuniziert, die Exkommunikation kurz vor seinem Ruhestand aber wieder aufgehoben. Nun werde "erlaubt", daß Mitglieder dieser Bruderschaft während des sogenannten Heiligen Jahres das Bußsakrament in gültiger Weise spenden können.

Ich kann mich bei all dem eines seltsamen Gefühls nicht erwehren.

[vgl. http://www.hna.de/welt/papst-priester-duerfen-suende-abtreibung-vergeben-zr-5464340.html]