Montag, 29. August 2016

Papst und Alzheimer

Der Papst imponiert mir immer mehr. 

Es sei ein Zeichen von "spirituellem Alzheimer", sagte er, wenn Bischöfe ihre selbst erfahrene Vergebung vergäßen und anfingen, Menschen in Heilige und Sünder aufzuteilen. Der Umgang von Christen mit anderen dürfe niemals auf Angst aufbauen, Strafen und Maßregelungen seien ein Anzeichen von Angst, die nur zu falschen Sicherheiten führten. Die Menschen hätten schon genug Leid in ihrem Leben, da müsse die Kirche nicht noch etwas hinzufügen. ...
[Fundstelle]

Schöne Worte, glaubhaft und nachvollziehbar. Und doch regen sie zu Fragen an:

Teilt nicht die Kirche selbst Menschen in Heilige und Sünder ein? Man denke nur an die sogenannten Heiligsprechungen. 

Baut nicht die Leitung der Kirche auf Angst? Wenn etwa die Glaubenskongregation Theologen "zum Schweigen bringt", seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts immerhin in etwa hundert Fällen. Zu denken ist auch an den Umgang der Kirche mit den südamerikanischen Befreiungstheologen usw. usf. 

Baut nicht der Vatikan selbst durch enges Festhalten an der "Tradition" auf falsche Sicherheiten?

Ich kann mir vorstellen, dass dem Papst diese Implikationen bewusst sind. Hoffe es jedenfalls.





















Sonntag, 28. August 2016

Wozu Theologie?

"Theologie sei nicht dazu da, Verkündigungsaufgaben wahrzunehmen oder missionarische Ziele zu verfolgen", Mit diesen Worten zitiert Amelie Tautor Bischof Bedford-Strohm in einem Artikel "Vom Reden und Schweigen der Kirche" (Christ in der Gegenwart Nr. 35, 2016). Kirchen "haben als Korrektiv und Kontrollgewalt die Theologie an ihrer Seite".

Ganz anders äußert sich Otto Betz, emeritierter Professor für Neues Testament in Tübingen, in seinem Buch "Was wissen wir von Jesus". Er sagt: "Die übertriebene Evangelienkritik der Gegenwart schadet der Glaubwürdigkeit unserer Verkündigung." Das klingt sehr seltsam aus dem Mund eines bekannten Theologen.

Was heißt "übertriebene Evangelienkritik"? Ab wann ist die Anwendung historisch-kritischer Methoden (Textkritik) auf die Evangelien übertrieben? Wer setzt die Maßstäbe? Hat der Wissenschaftler schon von vornherein zu prüfen, ob seine Arbeit mit der "Verkündigung" ganz genau zusammenpassen wird? Und was ist "Verkündigung" im Sinne von Betz?

Die Auffassung von Betz passt jedenfalls hervorragend zur Haltung von Kard. Müller, wonach das Lehramt der Theologen der Hierarchie sozusagen untergeordnet ist. Und ist auch ein schönes Beispiel zum Problem des "Gehorsams".




















Samstag, 27. August 2016

Wider den Gehorsam


Die Frage, warum Menschen das, was andere ihnen zu glauben vorlegen oder gar vorschreiben, oft so bereitwillig annehmen, hat mich immer wieder beschäftigt.

Ein Grund dafür liegt wohl im Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Denn wenn ich mich gegen etablierte allgemeine Glaubensvorstellungen wende, werde ich von der Gemeinschaft ausgestoßen. Das war in der frühen Stammesgeschichte oft gleichbedeutend mit einer Verurteilung zum Tod. Und es ist auch heute noch für viele schwer oder kaum erträglich.

Doch kann man bei der Analyse noch tiefer gehen, wie es der Psychoanalytiker Arno Gruen in seiner Schrift "Wider den Gehorsam" getan hat. 

"Lange bevor wir sprechen können und sich unser Denken organisiert, müssen wir lernen, gehorsam zu sein und unsere Gefühle zu unterdrücken. In allen Lebensbereichen erzwingt unsere Zivilisation einen reflexartigen Gehorsam. Zugleich belohnt sie ein Gruppendenken, das ein selbstbestimmtes, freies Denken unmöglich macht." So kann man im Klappentext lesen. Arno Gruen analysiert "die Pathologie der freiwilligen Knechtschaft: Wir selbst halten uns nicht für gehorsam. Wir erkennen nicht, dass wir unsere Unterdrücker idealisieren und ihnen dadurch Macht über uns verleihen."

Auch wenn Gruen den Bereich Glaube und Kirche nicht eigens thematisiert, so gelten seine Überlegungen m. E. gerade auch hier. Warum unterwerfen sich angehende Priester am Beginn ihrer Laufbahn einer von Menschen gemachten unmenschlichen Zölibatsverpflichtung? Warum werfen sie sich beim Weiheritual zu Boden und unterwerfen sich damit für alle sichtbar dem Bischof und der kirchlichen Obrigkeit? Das ist letztlich Ausdruck ihrer Identifikation mit dem "Unterdrücker". 

Die Folge des frühkindlich gelernten Gehorsams ist ein Verlust der Fähigkeit zur Empathie. Das von Ilse Sixt gesammelte Material legt den Verdacht nahe, dass nicht wenige Kleriker genau daran leiden.

Die Devise kann also nicht noch mehr Gehorsam sein, nicht noch mehr Gehorsam dem Bischof oder dem "Heiligen Vater" gegenüber (was gerne als Gehorsam Gott gegenüber verbrämt wird), sondern endlich aufzuwachen und wider die lähmende und krankmachende Haltung des Gehorsams aufzustehen. 

Gehorchen darf man nur seinem Gewissen.















Freitag, 26. August 2016

Gehorchen um jeden Preis?


Der Berliner Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl spricht im Interview mit katholisch.de über das Verhältnis von Staat und Kirche, zivilen Ungehorsam und das Gewissen des Einzelnen.

Die Entscheidungen des Staates müssen grundsätzlich respektiert werden, sagt er. Doch müsse der Staat, wie etwa im Fall des sogenannten Kirchenasyls, damit rechnen, dass nicht alles, was er entscheidet und tut, lammfromm und widerspruchslos hingenommen wird. Er müsse sich jeden Tag an seinen eigenen Maßstäben messen lassen, er brauche eine kritische Öffentlichkeit als Widerpart - wenn man so will um seiner selbst willen.

Lob-Hüdepohl findet klare und nachvollziehbare Worte.

Fast gleichzeitig findet sich auf katholisch.de eine andere kurze Notiz: "Streit um abtrünnige Priester in Bolivien". Es geht um etwa 50 Priester, die aus der Kirche entlassen worden waren, weil sie Frauen und Kinder haben. Die dortige Bischofskonferenz wirft ihnen vor, dass sie ohne Autorisierung der Kirche weiterhin die Sakramente spenden und Gottesdienste abhalten. Das würde zur Verunsicherung unter den Gläubigen führen.

Muss nicht auch die Kirche damit rechnen, dass nicht alles, was sie entscheidet und tut, lammfromm und widerspruchslos hingenommen wird? Wo liegt das Unrecht der 50 entlassenen Priester, die zu ihren Frauen und Kindern stehen? War ihre Entlassung durch die "Kirche" nicht das größere Unrecht? Eine Entscheidung, die gegen das Gebot der Liebe und Barmherzigkeit getroffen wurde, und nur, um das Kirchenrecht durchzusetzen? Haben nicht auch Priester ein Recht, wenn nicht gar die Pflicht auf zivilen Ungehorsam ihrer Kirche gegenüber, wenn diese unmenschliche Bedingungen wie den Zwangszölibat aufrecht erhält?

Auch die Kirche muss sich an ihren eigenen Maßstäben messen lassen.
























Mittwoch, 24. August 2016

Verbrechen gegen die Menschlichkeit


Der Papst twittert oder wahrscheinlicher: Er lässt twittern:

"Menschen- und Organhandel, Zwangsarbeit und Prostitution sind moderne Formen der Sklaverei und Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Es ist gut, dass der Papst das anprangert. 

Hat er auch schon über den Zölibat nachgedacht? Hält er ihn genauso heilig wie weiland Ratzinger oder kann er spüren, dass auch dies gegen die Menschlichkeit und besonders gegen die so vehement propagierte Barmherzigkeit verstößt?















Montag, 22. August 2016

Rang und Namen

Auf Twitter hat jemand auf eine Kurznachricht des Papstes geantwortet und ihn mit "du" angesprochen. Prompt hat sich ein anderer darüber mokiert, was er sich denn erlaube, man könne doch den Papst nicht mit "du" ansprechen.

Klar, bei Amts- und Würdenträgern muss man sehr wohl auf die korrekte Anrede achten: Da gibt es Heiligkeiten (momentan zwei), Eminenzen, Exzellenzen, Hochwürden, Ehrwürden, Paternitäten ... Das steht ihnen zu. Das gehört sich so. Wird einer von ihnen gar Dekan an einer Hochschule, dann ist er außerdem eine Spektabilität (!).

Nur der liebe Gott legt keinen Wert auf einen Titel. Ihn darf man mit "du" ansprechen. Gott sei Dank.



















Sonntag, 21. August 2016

Ruckzuck

"Durch Deutschland muss ein Ruck gehen", sagte Bundespräsident Herzog in seiner "Ruck-Rede" im April 1997. Der Ruck kam nicht. Bisher jedenfalls.

Auch durch die Kirche müsste ein Ruck gehen. Das ist überfällig. Aber die Groß-Organisation, als ganze gesehen, bewegt sich nicht. Eine gewisse Selbstgenügsamkeit, um nicht zu sagen Selbstgefälligkeit ist nicht zu verkennen. Publikumswirksame Inszenierung der Herrschaft mit Bischofsmütze und Hirtenstab wie eh und je. An der Lehre, an der Tradition wird nicht gerüttelt. Kein Jota darf verändert werden. Inhaltlich. Kleine kosmetische Korrekturen ausgenommen.

Der Papst bemüht sich nach Kräften, ist trotz seines hohen Alters fast überall präsent. Spricht den politisch Verantwortlichen gegenüber Klartext. Gebärdet sich aber am liebsten als Seelsorger und Beichtvater. Propagiert die Barmherzigkeit Gottes in allen Landen. 

Sollte sich aber mehr um den Kurs der Kirche kümmern. Sollte den Mut haben, wenn schon nicht einen Ruck, so doch wenigstens ein kleines Rücklein zu initiieren. Zum Beispiel durch Relativierung des Zwangszölibates.











Samstag, 20. August 2016

Barmherzigkeit konkret

Ein indischer Bischof lässt zum Jahr der Barmherzigkeit für bedürftige Familien 25 neue Häuser bauen. Nachzulesen hier.

Die Meldung schlägt ein. Sie ist einen Blog-Eintrag wert.

Sollten nicht deutsche Bistümer dem Vorbild Folge leisten? Es gibt auch in Deutschland genügend Bedürftige, denen in ähnlicher Weise geholfen werden kann. Wozu, so frage ich mich, unterhält die Diözese München in Rom ein 10 Millionen Euro teures Gästehaus? Warum mussten für die Renovierung des Bischofssitzes in Limburg 30 Millionen Euro ausgegeben werden?

Gerade im Jahr der Barmherzigkeit wäre ein Umdenken mehr als angebracht. Glaubwürdigkeit erwächst nicht aus schönen und salbungsvollen Worten. Vorbildliche Taten aber reißen mit.

Verba docent, exempla trahunt. Das wusste man schon im "alten Rom".















Freitag, 19. August 2016

Eucharistie

Der Papst spricht bei einer Generalaudienz über die wundersame Brotvermehrung. Er findet schöne Worte, das sei unbestritten, doch mutet seine Predigt insgesamt etwas seltsam an.

Er sagt zum Beispiel: "Jesus kümmert sich um die, die ihm folgen. Und er will auch seine Jünger darin einbeziehen. Darum sagt er: Gebt ihnen etwas zu essen!" 

Das wird relativ distanziert erzählt. Der Sprecher scheint nicht zu bemerken, dass damit auch er und seine hohen Würdenträger gemeint sind. Denn sie sehen sich doch in der engsten Nachfolge, der Papst sieht sich sogar als Stellvertreter Christi. Gebt ihnen zu essen! Was gibt die Kirche? Vorschriften und Dogmen. Sie hat einen riesigen Apparat aufgebaut, der sich vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Sie ruft zu Spenden auf und hortet selbst Reichtümer.

Etwas später sagt der Papst: "Während wir uns von Christus nähren, verwandelt die Eucharistie, die wir feiern, auch uns selbst immer mehr in den Leib Christi und in geistliche Nahrung für unsere Geschwister."

Ben detto, würde der Italiener sagen. Abgesehen davon, dass von der besagten Verwandlung im Vatikan wenig zu spüren ist, wirkt die Vorstellung als solche reichlich verdinglicht, gemahnt an magisches Denken. Die kurialen Kirchenbeamten sehen sich de facto eher als Gesetzgeber denn als Geschwister, muten allen Klerikern eine menschenverachtende Zölibatsvorschrift zu, bringen missliebige Theologen zum schweigen, himmeln zwar Maria, die Mutter Jesu, an, behandeln aber weiterhin Frauen fast wie Menschen zweiter Klasse.

Practise, what you preach!
















Donnerstag, 18. August 2016

Tradition

Bei der Abendmeditation in einem Zen-Kloster pflegte die Katze des Meisters im Tempel herumzustreunen, was die meditierenden Mönche störte. So ging man dazu über, die Katze jeweils für die Zeit der Meditation anzuleinen.

Das ging viele Jahre so. Und als der hochbetagte Meister gestorben war und auch die Katze nicht mehr lebte, fand man eine andere Katze, die während der Zeit der Meditation angeleint wurde. Denn das gehörte sich so.

So war eine Tradition entstanden.

[frei erzählt nach einer kleinen Anekdote von Anthony de Mello]


Ein User auf Twitter schreibt zu obigem Text: "Und so geschah es, dass der Mensch anfing, der Tradition zu dienen, anstatt dass die Tradition ihm diente." Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.













Mittwoch, 17. August 2016

Dikasterialpolitik

Am 1. September wird eine neue Kurialbehörde, ein sogenanntes Dikasterium, mit der Bezeichnung "Laien, Familie, Leben" ihre Tätigkeit aufnehmen. Die Leitung wird ein 68-jähriger amerikanischer Bischof übernehmen, der weder Laie ist noch eine eigene Familie hat. Statt eines verdienten Bischofs sollte besser eine Frau die Leitung übernehmen, man könnte sie, wenn es denn notwendig wäre, zur Kardinälin ernennen, was nach dem gegebenen Kirchenrecht durchaus möglich wäre.

Weitaus wichtiger wäre allerdings eine Behörde für "Spiritualität, Kleriker, Leben".

Diese sollte Spiritualität nicht definieren oder von oben herab regeln wollen, sondern zum Beispiel vorhandene spirituelle Gemeinschaften fördern. Zu denken wäre etwa an die von Willigis Jäger ins Leben gerufene Gemeinschaft in Holzkirchen bei Würzburg. Sie sollte sich weiterhin um die mit dem Klerikerstand gegebenen Probleme kümmern (Aufhebung des Zölibats, Ordination von Frauen etc.). Das wäre eine Neuerung, die den Namen wirklich verdient.














Dienstag, 16. August 2016

Werte

Immer wieder geht es darum, dass gefordert wird, die Flüchtlinge und andere Zuwanderer müssten unsere Normen und vor allem die Werte des christlichen Abendlandes übernehmen. 

Die Forderung erscheint plausibel. Wer hier leben möchte, kann nicht die Grundlagen, auf denen unser Gemeinwohl basiert, in Frage stellen oder gar ablehnen.

Was sind christliche Werte? Glaubens- und Gewissensfreiheit gehören sicherlich dazu. Wie aber will ich überprüfen, ob jemand, dem Asyl gewährt wurde, diese und andere Werte wirklich vertritt? Er kann sie auswendig lernen, und ich kann sie abfragen, mehr kaum.

Die amerikanischen Autoren Raths/Harmin/Simon haben ein Programm entwickelt, in dem es nicht darum geht, Werte zu lehren, sondern dem Lernenden seine eigenen Werte bewusst zu machen. Sie sind der Auffassung, dass ein sogenannter "Wert" für jemanden nur dann ein Wert ist, wenn er bereit ist, sich dafür einzusetzen. 

Ein pragmatischer, praxisbezogener Ansatz. Mehr ist kaum zu erwarten. Und mehr muss auch nicht sein.









Montag, 15. August 2016

Wer heilt, hat recht

Jesus konnte heilen. Er heilte Menschen von ihren physischen und psychischen Verwundungen.

Auch seine engeren Anhänger, seine Freunde und Jünger, konnten heilen. Sie hatten auf Grund seiner intensiven Präsenz und Ausstrahlung diese Gabe entwickeln können. Die heutigen Amtsträger und Verantwortlichen in der Kirche, die ja die Gemeinschaft derjenigen ist, die sich auf Jesus beziehen, können das offenbar nicht mehr.

Wann ist das "spirituelle Fluidum", wann ist die Kraft zu heilen verloren gegangen?

Man sollte Menschen, die in der Kirche ein Amt übernehmen wollen oder sollen, auch nach ihrer spirituellen Entwicklung, nach dem Grad ihrer Bewusstheit, auswählen, wenn nicht gar bevorzugt nach dieser ihrer Bewusstheit. Man spricht von den Charismen in der Kirche, Kard. Müller sieht sogar die kirchlichen Ämter selbst als Charismen. Als ob durch schiere Handauflegung ein Mensch sich von Grund auf ändern könnte oder würde.

Nicht alle Amtsträger müssen die gleichen Gaben haben. Aber ein nennenswerter Teil von ihnen, die sich auf Jesus berufen und sich in seiner Nachfolge sehen, sollte durchaus heilend tätig werden können. Schon um der Glaubwürdigkeit willen.

Ein Kommentar auf Twitter: "Herausforderung für die kath. Kirche: Menschen in die heilende Erfahrung von Gottes Gegenwart führen." Ja, dieser Herausforderung wird die Kirche, werden die Verantwortlichen in der Kirche sich stellen müssen. 























Sonntag, 14. August 2016

Erfahrung und Wahrheit

Es ist nichts als Wasser in den heiligen Becken,
Ich weiß es, ich bin in ihnen geschwommen.
Alle die Götterstatuen sind stumm,
Ich weiß es, ich habe sie angeschrien.
Die heiligen Bücher sind nichts als Worte,
ich habe sie alle an einem Tag durchblättert.
Das wovon Kabir spricht,
Ist nur das, was er durchlebt hat.
Wenn du irgendetwas nicht durchlebt hast,
Ist es nicht wahr.

Kabir (1440 - 1518) war ein Weber. Er gilt in Indien als einer der größten Dichter und ist dort wohl der am meisten zitierte Autor. Obwohl er die Religionsgemeinschaften kritisierte, begegnet man ihm mit großem Respekt.

In seinem Gedicht spricht er von der Erfahrung. Was du nicht durchlebt hast, ist nicht wahr. Das könnte auch einer der modernen Mystiker gesagt haben. Wenn du keine Gotteserfahrung, wenn du die Seinserfahrung nicht hast, kannst du nicht überzeugend von Gott sprechen. Dann helfen dir keine Dogmen und Gebote und Vorschriften, sie sind nichts als hohles Geklingel.





















Samstag, 13. August 2016

Die Frage nach Gott

Wenn jemand Priester ist, so lautete sinngemäß eine Botschaft auf Twitter, dann glaubt er an Gott. Ich aber kann angesichts der vielen Kriege, die in seinem Namen geführt werden, nicht mehr an ihn glauben.

Eine Haltung, die gut nachvollziehbar ist. Wo ist Gott? So fragte ein jüdischer KZ-Häftling, als er mit ansehen musste, wie ein Junge, ein Kind noch, am Galgen hing und lange Zeit mit dem Tode rang.

Ein Priester, gefragt, ob er an Gott glaube, würde höchstwahrscheinlich mit "Ja" antworten. Was für ein Gott ist das, an den er glaubt? Vielleicht ein anthropomorpher Gott, eine Person, zwar unsichtbar, aber immerhin da. Ich hier, Gott dort. Ein Gott, den man verehren muss. Ein vom Menschen getrennter Gott. Das ist das bis heute vorherrschende Gottesbild. Doch das ist im Begriff sich zu ändern.

Anthony de Mello erzählt die kurze Parabel von dem kleinen Fischlein, das im Weltmeer schwimmt und fragt: Wo bitte geht's zum Ozean?

Das ist eine gute Antwort auf die Frage: Wo ist er denn, euer Gott, von dem ihr pausenlos redet? Er ist so selbstverständlich da, wie das Wasser für den Fisch oder die Luft zum Atmen, dass er nicht wahrgenommen wird. Spalte ein Stück Holz, und du wirst mich finden, hebe einen Stein auf, und ich bin da, heißt es im Thomas-Evangelium. Gott lässt sich nicht definieren, man kann von ihm allenfalls in Bildern sprechen.

Auch die Mystiker, die alten und die modernen, sprechen so ähnlich: Gott ist der Urgrund, sagen sie, der Seinsgrund, aus dem alles hervorgeht und der in allem ist. Gott ist also nicht getrennt von der Schöpfung. Eckhart Tolle sagt einmal, er vermeide das so oft missbrauchte Wort Gott, er spreche lieber vom Sein, das allem Seienden gemeinsam ist.

Willigis Jäger meint: Mit Begriffen aus der Zeit von Nomadenvölkern oder aus der Scholastik könne man den Menschen von heute nicht mehr von Gott sprechen.

Wenn Gott "überall" ist, so wie das Wasser des Ozeans für das kleine Fischlein überall ist, dann können wir ihn wahrnehmen oder besser: erfahren. Wenn wir achtsam sind. In der Stille. Wir brauchen dazu keine Kathedralen, keine Moscheen, keine Tempel und keine Amtsträger. Aber wir können Gott nicht "haben", man kann ihn nicht festhalten. Auch Jesus, der wohl größte Mystiker, der im Bewusstsein beständiger Verbindung mit seinem Gott lebte, hatte ihn "verloren", hatte ihn loslassen müssen. Als er im Sterben am Kreuz ausrief: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?









Freitag, 12. August 2016

Die Priesterinnen

Es gibt sie also doch, die Priesterinnen. Zwar nicht in der römischen Kirche, doch bei den Altkatholiken.

An Pfingsten 1996 wurden die beiden ersten Frauen in der Altkatholischen Kirche weltweit zu Priesterinnen geweiht.

Nachzulesen in "Bilder der Gegenwart" August 2016







Donnerstag, 11. August 2016

Kultur des Zweifelns

Angesichts von Gruppen in Deutschland, die eine "Anfälligkeit für die Idee des Absoluten" zeigen, ruft der Kölner Kardinal Woelki zu einer "Kultur des vernünftigen Zweifelns" auf. Fundstelle

"Die schlimmsten Unmenschlichkeiten", schreibt er, "geschahen meistens dann, wenn selbstgewisse Gruppen und Bewegungen zweifelsfreie Wahrheiten beanspruchten und als allgemeinverbindlich durchzusetzen versuchten." Leider habe auch in der Kirchengeschichte der angeblich gute Zweck fragwürdige Mittel geheiligt.

Es lässt aufhorchen, wenn ein hoher Kirchenvertreter so selbstkritisch formuliert. 

Sein Text ist zwar aus der momentanen politischen Situation heraus entstanden, und Woelki geht denn auch eher auf politische Fehlentwicklungen ein. Doch hätte er durchaus ausführlicher auch bei der Kirche bleiben können und sollen. Auch sie beansprucht bis heute zweifelsfreie Wahrheiten. Statt sich das "aggiornamento" eines Giovanni XXIII. zu eigen zu machen, wurde das Kirchenschiff wieder in eher mittelalterliche Bahnen gelenkt. Die "Tradition" wird absolut gesehen, an ihr wird nicht gerüttelt. 

Noch der Ratzinger-Papst hat zum Beispiel den Zölibat als "heilig" bezeichnet. 

Ich wünsche mir, dass Woelki bei seinen kritischen Überlegungen bleibt und dass er dazu beiträgt, die Erneuerungs-Impulse des Papstes Franziskus auf die Kirche vor Ort zu transformieren. 











Mittwoch, 10. August 2016

Sein Wille

"Gott will uns auf den Füßen sehen", hat der Papst bei seiner letzten General-Audienz gesagt. Fundstelle

Gott will, dass wir die Wahrheit sagen.
Gott will, dass der Mensch seinen Spass hat.
Gott will, dass ich ein positives Leben führe.
Gott will dies und Gott will das ...

"Gott will es" (Deus lo vult), hatten die Zuhörer im Jahr 1095 geantortet, als Papst Urban II. zum Kreuzzug aufrief.

Prediger und andere Amtsträger wissen immer sehr genau, was Gott will. Das geht schon seit vielen Jahrhunderten so. Es ist immer bequem, wenn man sich auf Gott berufen kann. 

Wenn sie wenigstens sagen würden, dass sie meinen oder vermuten zu wissen, was Gott will.

Will Gott auch den Zölibat?
Will er die Exkommunikationen?
Will er die imperialen Gewänder der hohen Kleriker?















Dienstag, 9. August 2016

Identität bewahren

Der Papst hat auf Instagram ein schönes Foto hochladen lassen mit folgendem Text:

"Bitten wir um Respekt für die indigenen Völker, die in ihrer Identität und Existenz bedroht sind."

Das Anliegen ist absolut wichtig, und der Aufruf kommt vielleicht gerade noch zur rechten Zeit.

Viele indigene Völker sind ihrer Identität längst beraubt, mit dazu beigetragen hat (nicht nur, aber auch) die Missionierung durch christliche Kirchen. Wiedergutmachung wäre angesagt. Die Bitte des Papstes um Respekt für sie klingt leider etwas fromm-distanziert.









Montag, 8. August 2016

Das liebe Geld

Der Papst spricht von der Verpflichtung, die Welt gerechter und bewohnbarer zu machen, und weist darauf hin, dass das letzte Hemd keine Taschen hat.
Fundstelle.

Er spricht vom Almosengeben als Werk der Barmherzigkeit. "Kein Vertrauen in vergängliche Güter setzen, Dinge benutzen ohne Anhänglichkeit und Egoismus ... Wir können unglaublich am Geld hängen", sagt er, "und ganz viele Sachen haben, aber am Ende können wir nichts mitnehmen." 

Well roared, lion! Gut gesagt. Ob er bei seinen Worten auch an die Vermögen der Kirche gedacht hat? An die Vatikanbank, an die Gelder der deutschen Bistümer?

Predica bene, ma razzola male, sagt der Italiener in solchen Fällen.













Sonntag, 7. August 2016

Kirche, Frauen und Sex

Nachstehende Zitate sind der Niederschrift eines verheirateten ehemaligen Priesters entnommen. Anlass für seinen Text war das Problem einer Maturantin, einer in der Kirche engagierten jungen Frau, die wegen der frauenverachtenden Haltung der Kirche mit dem Gedanken eines Kirchenaustritts spielte. 

"In der katholischen Kirche gelten Frauen einen Dreck: Dass Priester nicht heiraten dürfen, hat zweifellos auch seinen Grund darin, dass es für einen Priester entwürdigend wäre, eine Frau zu haben."

"Ein Priester muss vollkommen rein bleiben. Es ist doch furchtbar, wenn vernunftbegabte, oft sogar gebildete Menschen übereinander herfallen wie vernunftlose Viecher? Das ziemt sich für einen Priester wirklich nicht, das kann niemals erlaubt werden."

"In unserer röm. katholischen Kirche ist doch gar nicht unterschwellig, aber unausgesprochen die Haltung virulent, dass Sexualität idealerweise vermieden werden wollte und ausschließlich in der Ehe zum Zwecke der Zeugung von Nachkommen zugestanden werden kann und das möglichst ohne Lust. Keine Rede davon, dass Gott, der die Liebe ist, dem Menschen durch das Erlebnis von Liebe uns sein eigenes Wesen nahebringen möchte."

"Mir fällt auf, dass Jesus gar nie über vorehelichen Geschlechtsverkehr und nicht einmal über Empfängnisverhütung gepredigt hat. Das gab es ganz bestimmt auch damals. Gepredigt hat er ständig und in verschiedenen Weisen immer wieder über Mitmenschlichkeit und Achtung vor dem Mitmenschen. Hätten die kirchlichen Lehrer in gleicher Ausdauer die Menschen von Kleinst auf gelehrt, jedem Menschen mit Achtung und Wohlwollen zu begegnen, anstatt zu versuchen, ihnen die Sexualität abzugewöhnen, könnte es in der Welt ganz anders aussehen und zwar in allen Belangen ..."












Samstag, 6. August 2016

Der Alte und die Jungen

Papst Franziskus hat die Jugend aufgerufen, "Vorreiter der Geschichte zu sein". Er sorgt sich um "gelangweilte Jugendliche", ist in einem anderen Artikel zu lesen. Er ermunterte sie, laut ihre Stimme zu erheben und sich stärker für eine bessere Welt einzusetzen. Es sei schön, sie so rebellisch zu sehen. Es gehe darum, Brücken zu bauen und Mauern niederzureißen. 

Schöne Papstworte, in der Tat. Wichtige Papstworte! 

Noch schöner, nein, nicht schöner, sondern weitaus wichtiger wäre es, dass der Papst all das, was er anderen rät und wozu er andere auffordert, erst einmal selbst tut. 

Wie geht denn der Vatikan mit Theologen um, die zwar nicht rebellisch sind, die aber immerhin den Mut haben, selber nachzudenken und nicht nur Katechismus-Wahrheiten nachzubeten? Sie werden mundtot gemacht. Welche Mauern innerhalb der Kirche und um die Kirche herum wurden bisher schon niedergerissen? Die Kirche hat ihr Lehrgebäude und ihre Gesetze mit Stahlbeton geschützt, dagegen kommt kein Protest an. 

Der Papst selbst könnte Vorreiter der Geschichte sein, wenn er nicht nur ein windelweiches Papier "Amoris Laetitia" verfassen, sondern wenn er endlich einmal Klartext sprechen würde. Das erfordert auch innerhalb der Kurie viel an Mut. Statt dessen gefällt er sich in Assisi in der Rolle eines Beichtvaters. Seine Aufgabe wäre eine andere!

Es gäbe so viel zu ändern: Weg mit dem Zwangszölibat, weg mit der Exkommunikation von Geschiedenen, die wieder geheiratet haben, weg mit dem Verbot einer Frauenordination. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter!

Der Papst und die hohen Prälaten sollten, mit Verlaub gesagt, ihre eigenen Predigten einmal selbst lesen und sich danach richten. Dann erst können sie andere belehren oder über andere richten ...

















Donnerstag, 4. August 2016

So sollt ihr beten ...

Papst betet für Sturmopfer in Mexiko.
Der Papst fährt nach Assisi, um in der Portiunkula-Kapelle zu beten.
Franziskus will in Auschwitz beten und schweigen.
Papst betet für Michael Schumacher.
Papst betet für Glaubensfest.
Papst betet für Erdbebenopfer in Ecuador und Japan.
Papst betet mit Klarissen in Santa Marta.
Franziskus betet für Frieden in der Ostukraine.
Papst Franziskus betet fürs krisengeplagte Brasilien.
Papst betet für Medien und Journalisten.

Papst betet für dies und für jenes.

So lauten, fast beliebig herausgegriffen, Nachrichten auf katholisch.de oder auch auf Vatikan-Nachrichten über Gebete des Papstes.

Der Papst betet für viele Dinge und Anliegen. Fast ist man geneigt, sich darüber zu freuen. Aber nicht ganz. Denn es entsteht der Eindruck, als spreche man dem Gebet des Papstes eine ganz besondere, eine fast verdinglichte Qualität zu. Als sei das Gebet des Papstes mehr wert als das anderer Christen. Warum sonst würde man Selbstverständlichkeiten so breit treten?

Wie hat Jesus gelehrt? "Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden ..."

Selbstverständlich unterstelle ich dem Papst nicht Heuchelei. Aber der Berichterstattung über seine Gebete wäre Zurückhaltung angemessen. Weniger ist mehr.







Mittwoch, 3. August 2016

Der Papst und die Gewalt

Folgendes Bild mit Worten habe ich auf Twitter gefunden, für den Inhalt kann ich mich nicht verbürgen:


Der Text ist bemerkenswert und spricht für Franziskus. 

Nur: Von der subtilen Gewalt, die von der Kurie ausgeübt wird (seit den siebziger Jahren wurden ca. 100 Theologen zum Schweigen gebracht) sagt er nichts. Ganz zu schweigen vom Pflichtzölibat und der damit einhergehenden Gewalt.