Samstag, 30. April 2016

Leid nicht ignorieren

Der Papst ruft zur vorbehaltlosen Hilfe für Leidende auf. Das Leiden anderer zu ignorieren, heiße Gott zu ignorieren. Mitleid heiße, im Innersten ergriffen zu sein vom Elend des anderen. [Fundstelle]

Der Papst hatte mit seiner Botschaft zwar das Flüchtlingselend im Auge. Doch sollte er nicht das Leid übersehen, das die Kirche selbst durch ihr starres Festhalten an menschengemachten Regeln und Dogmen verursacht. Sei es das Leid der Lebensgefährtinnen von Klerikern und deren Kinder oder das Leid der exkommunizierten Wiederverheirateten.

Bei anderer Gelegenheit sagt der Papst, niemand solle entfernt bleiben von Gott wegen Hindernissen, die Menschen aufgerichtet haben. [Fundstelle]

Fehlverhalten oder Hindernisse bei anderen zu sehen und zu rügen, ist allemal einfacher als bei sich selbst, will sagen: bei der Kirche anzufangen.






Donnerstag, 28. April 2016

Barmherzigkeit für alle oder nur für einige?

Im Münchner Merkur vom 26. April 2016 war folgender Leserbrief abgedruckt:


"Jahr der Barmherzigkeit
Es ist erstaunlich, dass bei jeder Diskussion über Papst und Kirche auch über Schwule geredet wird, von den Frauen und Kindern der Kleriker aber nichts zu lesen und zu hören ist. Vielleicht aber schaffen sie es doch, im Jahr der Barmherzigkeit ins Bewusstsein der Allgemeinheit gerückt zu werden, um auch im Licht der Wahrheit und Barmherzigkeit leben zu dürfen. Nach einem Zitat von Voltaire: 'Es braucht nur zwei oder drei mutige Menschen, um den Geist einer Nation zu ändern.'
Ilse Sixt, Oberpframmern"

Der Leserbrief spricht für sich selbst. Er setzt sich für die Lebensgefährtinnen von Priestern und für deren Kinder ein. Es ist beschämend, wie von kirchlicher Seite mit ihnen umgegangen wird.

Ich erinnere mich, schon vor Jahren gelesen zu haben, dass ein Mönch wegen einer Frau sein Kloster verlassen und geheiratet hat. Als er nach einiger Zeit anfragte, ob er wieder im Kloster aufgenommen werden könne, soll ihm der Abt gesagt haben: Ja, aber nur, wenn er sich scheiden lasse.

Schämt euch, ihr hohen Kleriker und ihr Verantwortlichen im Vatikan. Wenn ihr es nicht schafft, wirklich Barmherzigkeit zu üben, dann sind alle eure schönen Worte nichts als schepperndes Geklingel. Und ihr selbst seid wie jene übertünchten Gräber, von denen Jesus gesprochen hat.





Mittwoch, 27. April 2016

Leere Worte statt Glaube

"Hier liegt vielleicht der Grund für die spärlichen Resultate und mehr noch für die Resignation bei den Christen.
Es ist keine Wirkung da, weil kein Leben da ist, und kein Leben, weil kein Beispiel da ist und kein Beispiel weil an die Stelle von Glaube und Liebe leere Worte getreten sind.
'Ich will das Evangelium durch das Leben ausrufen', wiederholte Charles de Foucauld oft. Er war überzeugt, dass die wirksamste Methode des Apostolats diese ist: als Christ leben. Das gilt heute eher noch mehr, da die Leute misstrauisch geworden sind. Sie wollen keine schönen Reden hören. Sie wollen sehen."

[Carlo Carretto. Wo der Dornbusch brennt. 1973]






Dienstag, 26. April 2016

Antimoderner Geist

"Nicht nur die reaktionär-traditionalistischen 'Pius-Brüder', sondern auch viele im Vatikan würden am liebsten die kirchlichen Verurteilungen von Liberalismus und Sozialismus, von Gewissensfreiheit, Religions- und Pressefreiheit aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wieder in Kraft setzen und die Entscheidungen über 'die Wahrheit' in allen Glaubens- und Moralfragen einem kirchlichen 'Lehramt' anheimstellen, wie auch noch in neuesten Enzykliken über Glaube und Vernunft gefordert. In diesem antimodernen Geist meint man im päpstlichen Rom bis heute, auf demokratisch gewählte Regierungen und Parlamente hinter den Kulissen oder manchmal auf offener Bühne Druck im Sinne der römisch-katholischen 'Moral' ausüben zu dürfen." ...

"Es wird ... zu fragen sein, inwiefern ein falsches, schiefes Gottesbild und manchmal auch ein inhumanes, unsoziales 'christliches' Menschenbild zum Atheismus beigetragen haben."

[Hans Küng. Was ich glaube]





Montag, 25. April 2016

Immer wieder: Glaube

" 'Glauben' interpretiere ich ... nicht kirchlich verengt oder intellektualistisch verkopft. Einfach annehmen, 'was mir die Kirche zu glauben vorschreibt' - diese traditionalistische Formel gilt heute selbst für konservative Katholiken kaum noch. 'Glauben' meint ja mehr als ein Fürwahrhalten bestimmter Glaubenssätze. Glauben meint, was Vernunft, Herz und Hand eines Menschen bewegt, was Denken, Wollen, Fühlen und Handeln umfasst. Blinder Glaube allerdings ist mir seit meiner römischen Studienzeit verdächtig, wie blinde Liebe; blinder Glaube hat viele Menschen und ganze Völker ins Verderben geführt.. Mein Bemühen galt und gilt einem verstehenden Glauben, der zwar nicht über strenge Beweise, aber doch über gute Gründe verfügt. Insofern ist mein Glauben weder rationalistisch noch irrational, wohl aber vernünftig."

[Hans Küng. Was ich glaube]






Sonntag, 24. April 2016

Überzeugungen

"Wenn Überzeugungen wichtiger werden als Glaube, dann können selbst kleine Meinungsunterschiede unüberwindliche Hindernisse werden."

[David Steindl-Rast. Fülle und Nichts]

Beispiele finden sich zuhauf, im Grunde ist dies bei allen Schismen der Fall. Für wen ist beispielsweise das "Filioque" so wichtig, dass eine nun schon mehr als tausend Jahre dauernde Kirchenspaltung zu rechtfertigen wäre? Oder was hat Hus so Falsches gesagt, dass er verbrannt werden musste?

Ihr hohen Prälaten, ihr solltet endlich wahrnehmen, was ihr tut und was von euch statt dessen gefordert ist.





Samstag, 23. April 2016

Georg

Georgifeste und Georgiritt, das Brauchtum hat sich gewandelt, ist aber immer noch lebendig. Wer war der "Georg", der diesem Brauchtum vorausgeht?

Ob es je einen heiligen Georg gegeben hat, sei historisch unsicher, schreibt Lore Kufner in ihrem lesenswerten Buch "Getaufte Götter". Gefeiert wurden die von Ort zu Ort und von Land zu Land sehr unterschiedlichen Feste des "Grünen Georgs", es waren Fruchtbarkeitsbräuche, der Grüne Georg war ein Frühlingsbringer.

"Die grünen Götter haben ihre beschränkte Lebenszeit, sie kommen im Frühjahr aus dem Ödland, von den Bergen, aus dem Wald, sie feiern heilige Hochzeit mit der Erde und werden umjubelt, und sie sterben, wenn ihre Zeit um ist, ihren rituellen Tod."

Die fruchtbarkeitsmythischen Kultformen im Georgsbrauchtum seien älter als die Georgslegende, uraltes Erbe aus dem matriarchalen Mythenkreis. Der Grüne Georg hat einen Vorläufer im phrygischen Vegetationsgott Attis. Attis ist der Heros, so Lore Kufner, der Sohngeliebte der großen phrygischen Muttergöttin, der Herrin der Natur und der Fruchtbarkeit. 

Irgendwann im Mittelalter, wird der friedvolle matriarchale Georg vom Patriarchat vereinnahmt, er führt nun das Schwert statt des Pfluges und gibt nicht mehr mit vollen Händen allen, sondern steht im Sold 'seiner Völker'. Der vielfach noch gepflegte Georgiritt geht darauf zurück ... 

Und trotzdem sagt Lore Kufner: "Der Georgstag ist das Fest der Erde, ist grüne Religiosität, ist Heiligkeit des Diesseits. Die Erdenseele entfaltet sich hinein in die Sinnenwelt, wird sichtbar, greifbar, schmeckbar. ... Der Himmel ist irdisch und gegenwärtig geworden, man kann ihn greifen, er hat sich zu erkennen gegeben. ... Er ist die schöpferisiche urmütterliche Kraft des Ursprungs und der Tiefe." 







Freitag, 22. April 2016

Zustand der Kirche

Viele fragen sich, wie es mit der Kirche weitergehen soll.

Der Pastoraltheologe Haslinger zum Beispiel warnt vor übergroßen Seelsorgeeinheiten  Doch er sieht, dass man nicht zum alten Ideal von 'Gemeindeleben' zurückkehren könne.

Der Münsteraner Regens Niehues hat mit seiner Aussage, das System Kirche, wie es bisher bestehe, sei am Ende, Aufsehen erregt. Er frage sich, ob Menschen noch damit rechnen, dass Gott in ihrem Leben handelt und dass Gott ganz konkret in den Sakramenten der Kirche handelt.

Der Pastoraltheologe Lörsch sagt, die bisherige Sozialgestalt von Kirche gehe nicht zugrunde, sondern sie sei bereits zugrunde gegangen. Die vertrauten Bilder der Volkskirche, meint er, sitzen noch in unseren Köpfen, vielerorts bleibe man in den vertrauten Denkmustern stecken. Die Pfarrei der Zukunft stelle er sich als einen pastoralen Raum vor, vergleichbar einem Netzwerk, das von einem Team geleitet wird. ...


Vielerorts wird also gesehen, dass die "Kirche", wie man sie bei uns bisher kannte, am Ende ist, auch wenn fast krampfhaft versucht wird, das System noch aufrecht zu erhalten und an den tradierten Gegebenheiten im Grunde nichts zu ändern. Am Zölibat wird nicht gerüttelt, Frauenordination ist ohnehin kein Thema, das Priesteramt und die Sakramente werden weiterhin überhöht und verdinglicht gesehen, usw. usf.

Doch halt. Da kommt vom Mitarbeiter Kilian auf katholisch.de die schöne Idee, die Kirche müsse gar nicht gerettet werden, ihre Zukunft sei gesichert, wenn sie sich an ihren Auftrag halte, das Evangelium Jesu Christi zu verkünden. Vielleicht hat er im Hinterkopf das Wort Jesu aus dem Evangelium nach Matthäus: Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen?

Was nun? Zum einen übersieht er, dass die zuletzt genannte "Kirche" nicht mit der Großorganisation von heute identisch ist (Begriffsverschiebung). Zum anderen bedenkt er wohl nicht, dass die Evangelien keine historischen Berichte sind, sondern theologisch reflektierte Erzählungen für die damaligen Gemeinden der Anhänger Jesu und dass mit den Worten, die Jesus in diesen Erzählungen in den Mund gelegt werden, bestimmte Intentionen verfolgt werden. Vgl. dazu auch Marcus J. Borg.














Donnerstag, 21. April 2016

Retten

"Abends sprechen wir im Zen die 'Vier Großen Gelübde'. Darunter sind auch die folgenden Zeilen: 'Zahllos sind die Lebewesen. Ich gelobe sie alle zu retten.' Retten geschieht nicht durch Predigen und Bekehren zu einer Konfession. Retten geschieht, indem ich selber in der rechten Weise da bin, offen zu allem und jedem. Es geht immer etwas von uns aus: Positiv oder negativ. Gedanken, Gefühle und Intentionen, und selbst meine Atome sind über Raum und Zeit hinweg wirksam."

[Willigis Jäger. Aufbruch in ein neues Land]





Mittwoch, 20. April 2016

Benedikt XVI wird 89

Der Ratzinger-Papst hat Geburtstag, und er wird allenthalben sehr gefeiert. Das gibt mir Anlass zu überlegen, warum ich persönlich von ihm nicht überzeugt bin. Ganz "auf die Schnelle" fällt mir ein:

Ratzinger hat in seiner Tätigkeit als oberster Glaubenshüter dem Benediktiner und Zen-Meister Willigis Jäger alle öffentliche Wirksamkeit untersagt, weil dieser die Katechismusformulierungen auf dem Hintergrund seiner mystischen Erfahrungen verkünde und die Menschen dadurch irritiert sein könnten.

Als Papst hat er der Kirche seinen Professorenstil vorgelebt und in gewisser Weise aufgedrückt. Seine  "Regensburger Rede" beispielsweise kann man nur als höchst unglücklich bezeichnen. So kann er als Professor, nicht aber als Papst sprechen.

Die immensen Kosten für den Deutschland-Besuch Benedikts wurden damit gerechtfertigt, dass von ihm neue pastorale Impulse zu erwarten seien. Welches waren seine Impulse? Ich erinnere mich (Zitat aus dem Gedächtnis) nur an einen einzigen Ausruf: Geht doch am Sonntag in die Kirche, das gibt eurer Woche eine Mitte! Das ist Verkündigung im Stil einer Kindergartenkatechese.

Ratzinger war als Chef der Glaubensbehörde wohl ein guter Buchhalter, ein guter "Chef" als Papst war er nach meinem Eindruck nicht. Er hat wohl, so sagt man, schöne, theologisch fundierte Bücher geschrieben, die man nun wissenschaftlich auswerten will. Ja. Aber den "Geist" hat er nicht verkörpert. Es werden im Grunde immer die gleichen Inhalte mit anderen Worten wiederholt.

Ratzinger ist von seinem Papstamt zurückgetreten. Warum kann oder will er dann nicht auf seine weißen Gewänder verzichten? Das Papstamt ist nur ein Amt, jedenfalls nichts Substanzielles. Ich habe fast den Eindruck, er sieht sich in einer Art Wächterfunktion gegenüber seinem Nachfolger, und ich würde ihn sogar zu den "Bremsern" im Vatikan rechnen.

Verba docent, exempla trahunt. Dieser Satz fällt mir ein, wenn ich Ratzinger mit Bergoglio vergleiche. Jener mag ein guter Dozent gewesen sein, der Neue hingegen ist in der Lage, die Menschen zu begeistern und mitzureißen. Der Ratsvorsitzende der EKD, Bedford-Strohm, beispielsweise ist von Franziskus jetzt schon begeistert, auch wenn er ihm erst in ein paar Tagen persönlich begegnen wird.

Nachtrag am 26.April
"Die päpstliche Autorität, Infallibilität, Unfehlbarkeit ... war auf Dauer erschüttert, was sich bestätigte durch das unbegreifliche Fehlverhalten von Papst Benedikt XVI. gegenüber den evangelischen Kirchen, gegenüber den Muslimen und Juden, den Indios und auch den Millionen HIV/Aids-Infizierten in Afrika und schließlich gegenüber den reaktionären Pius-Brüdern." [Hans Küng. Was ich glaube]











Ökumene

Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz äußerte sich in einem Vortrag zum Reformationsgedenken 2017. [Fundstelle]

"Ökumene ist nicht nur reiner Informationsaustausch", sagt der Bischof, "sondern wird im besten Falle zu einem Lernprozess, der zu einer wechselseitigen Bereicherung führt." Dass die evangelische Kirche das Reformationsfest 2017 zum Anlass nehme, sich ihrer eigenen Wurzeln und Glaubenstraditionen zu vergewissern, sei legitim. Dies dürfe aber nicht zu "neuen konfessionellen Abgrenzungen führen". Irritationen in den Vorbereitungen auf das Gedenken sollten von beiden Seiten deutlich benannt werden. 

"Wie überzeugend können wir sein, wenn wir noch in getrennten Kirchen leben und damit offensichtlich dem Willen Jesu Christi widersprechen?"

Das im zuletzt genannten Zitat Gesagte kann man nicht dick genug unterstreichen. Die katholische Kirche sollte sich das sehr zu Herzen nehmen und vor allem anerkennen, was die Kirche Luther letztlich zu verdanken hat.

Andere Äußerungen muten eher seltsam an. Warum ist Ökumene im besten Fall ein Lernprozess, der zu wechselseitiger Bereicherung führt? Warum soll Ökumene nicht vielmehr das Ziel einer Vereinigung der getrennten Kirchen haben? Und zwar einer Vereinigung auf Augenhöhe. Wie kommt der Bischof dazu, die Vorbereitungen der evangelischen Kirche auf das große Fest als "legitim" zu charakterisieren? Das kommt weder ihm noch dem Katholizismus insgesamt zu. Und wie soll das Reformationsfest zu "neuen konfessionellen Abgrenzungen" führen. Ökumene tritt schon viel zu lange auf der Stelle. Und: Welche "Irritationen" meint der Bischof? Warum hat er nicht den Mut, diese konkret anzusprechen?

Mir scheint, hier wird eher die Abgrenzung gesehen als die Gemeinschaft. Die katholische Kirche wird nicht erwarten können, dass die Protestanten sich unter die Oberhoheit des Papstes begeben werden. Der vatikanische Apparat wird von seinem hohen Ross heruntersteigen müssen.










Montag, 18. April 2016

Die Form

Alles, was ist oder geschieht, ist die Form, die das Jetzt annimmt. Solange du dagegen innerlich Widerstand leistest, bildet die Form, das heißt die Welt, ein unüberwindliches Hindernis, das dich von dem trennt, was du jenseits der Form bist, vom formlosen einen Leben, das du bist. Wenn du innerlich Ja sagst zu der Form, die das Jetzt gerade annimmt, wird ebendiese Form ein Tor zum Formlosen. Dann ist die Trennung zwischen der Welt und Gott aufgehoben.

[Eckhart Tolle. Eine neue Erde]






Außensicht

"Wo ist die Rezeption von 'amoris laetitia' von einem Kirchenfernen, wo ist die Analyse der päpstlichen Liebesrhetorik von einem Psychologen, Soziologen, Biologen?" So wird auf katholisch.de geklagt und gefragt.

Ungläubige müssten über den Glauben reden und Kirchenferne über die Kirche, heißt es weiter. "Denen müssen wir zuhören."

Schöne, vielleicht sogar wohlfeile Worte. Wieder mal. Ungläubigen wollt ihr also zuhören? Lernt doch zuerst denen zuzuhören, die innerhalb der Kirche wirken, auch wenn sie euch nicht ganz katechismuskonform erscheinen mögen! Noch im Jahr 2002 hat der oberste Glaubenshüter Ratzinger den Benediktinermönch und Zen-Lehrer Willigis Jäger mit einem Verbot belegt: Er durfte nicht mehr öffentlich auftreten und lehren.

" ... das Kirchenrecht und das Evangelium klaffen weit auseinander", sagt Willigis Jäger in einem Interview. "Das sehen Sie schon daran, dass mit dem Kirchenrecht in der Hand Menschen verurteilt werden. Denken Sie nur an das Schicksal großer Theologen wie Ives Congar, Teilhard de Chardin oder Karl Rahner. Es ist einfach beschämend, wie man Theologen und Priester behandelt hat und behandelt."

Warum also wollt ihr mit Ungläubigen über den Glauben reden und mit Kirchenfernen über die Kirche? Weil ihr durch sie keinen Machtverlust zu befürchten habt? Oder weil ihr inzwischen keine anderen Gesprächspartner mehr habt?

Nachtrag: Nun hat sich der Bund der Deutschen Katholischen Jugend kritisch zu Wort gemeldet. Nicht mit einer "Außensicht" im eigentlichen Sinn, aber deutlich und konkret: Die vom Papst bekräftigte Lehre der Kirche zur vorehelichen Enthaltsamkeit gehe "an der Lebenswirklichkeit vieler junger Katholikinnen und Katholiken weit vorbei". "Es ist ein Widerspruch, wenn man von Wertschätzung und Nichtdiskriminierung spricht und gleichzeitig homosexuelle Partnerschaften nur als Problem und gleichgeschlechtliche Liebe als nicht gottgewollt ansieht." [Fundstelle]  Schön! Die jungen Kirchenmitglieder lassen sich nicht länger ein X für ein U vormachen.






Sonntag, 17. April 2016

Schwieriges Thema

Gestern finde ich auf Twitter folgenden Nachricht: "Frage eines 19jährigen: Ich kann selber denken. Nenn mir einen Grund, wozu ich die Kirche brauche. ... Schreibt Ihr ihm?"

Die Antwort ist leicht und zugleich sehr schwer: 

Ich bin gläubiger Christ, kenne aber keinen Grund, warum du die Kirche als Institution brauchen solltest. Weder die Kirche noch ihre Dogmen oder ihre Tradition. Du brauchst keine Institution, die dir sagt, was du tun sollst, sondern du brauchst jemanden, der dir sagt, wer du bist, wie es Willigis Jäger sinngemäß formuliert hat.

Was du also brauchst und was wir alle brauchen, sind Menschen, die uns helfen, mit unserer tiefen Seinsebene in Kontakt zu kommen und dadurch zu erfahren, wer wir im Letzten sind. In der Regel sind das Menschen, die selbst einen spirituellen Weg gehen, sei es die Kontemplation oder die Zen-Meditation. 

Ein reichhaltiges Angebot findet sich beispielsweise in dem von Willigis Jäger gegründeten Benediktushof. Du wirst spüren, welcher Weg dich anspricht.








Samstag, 16. April 2016

Transzendenz

"Wer seine personale Einengung nicht überschreiten kann, wer sich nicht öffnen kann zum anderen hin, verhält sich nicht evolutionsgemäß und wird krank. Die Grundstruktur des Kosmos ist Selbsttranszendenz. Und der Naturwissenschaftler Charon hat sich nicht gescheut, dafür das Wort 'Liebe' einzusetzen: Liebe, die Grundstruktur der Evolution. Unsere Gesellschaft krankt an Narzissmus. Sie kann sich zum Einen und Ganzen hin nicht öffnen. Sie verhält sich nicht mehr evolutionsgerecht. Hier ist der Ursprung für Terror und Krieg."

[Willgis Jäger. Aufbruch in ein neues Land]






Freitag, 15. April 2016

Götzen Babylons

"Die herrschenden Wertvorstellungen des modernen Lebens - Überfluss, Leistung, äußerer Schein, Macht, Ehrgeiz, Konsum, Individualismus - sind weit davon entfernt, irgend etwas Christliches erkennen zu lassen. Unser Leben als Einzelmenschen und als Gesellschaft, mit seinen Sicherheiten und Werten, die 'dieser Welt' und der 'Endlichkeit' verhaftet sind, ist zutiefst götzendienerisch geworden. 
Wir leben in einem modernen Babylon, das wir weitgehend gar nicht als solches erkennen, und das aufgrund seiner überaus gefälligen und wohlwollenden Maske umso verführerischer ist. Und tatsächlich existiert Babylon in hohem Maße auch innerhalb der Kirche selbst, durch und durch ist sie (von uns) mit dem 'Geist dieser Zeit' durchtränkt worden. ..."

[Marcus J. Borg: Jesus. Der neue Mensch]






Donnerstag, 14. April 2016

System der Kirche am Ende?

Es gebe immer weniger Kirchenmitglieder, die den sakramentalen Dienst eines Priesters überhaupt wahrnehmen, und es stehe die Frage im Raum, ob die Menschen 'überhaupt noch damit rechnen, dass Gott in ihnen handelt und dass sein Handeln in den sakramentalen Zeichenhandlungen erfahrbar ist.

So äußert sich der Vertreter der katholischen Priesterausbildung in Deutschland hier.

Er fordert denn auch neue Wege in Seelsorge und Priesterausbildung. Man solle angesichts des Priestermangels und immer größerer Gemeinden die Laien stärker einbinden, denn jeder Getaufte sei für den anderen Seelsorger. Es gehe um einen 'Machtverzicht seitens der Priester'. ... "Der 'Machtmissbrauch' mancher 'Pfarr-Herren', der sexuelle Missbrauch, der Umgang damit in der Kirche sowie ein manchmal fragwürdiges Finanzgebaren hätten zu einem tiefen Verlust an Glaubwürdigkeit geführt." Es brauche ein bescheidenes, ja demütiges Auftreten der Kirche in der Gesellschaft. 

In der Analyse eines Fachmanns, der das "System Kirche" von innen kennt, ist viel Wahres. Der berufsmäßige Priester, so meine ich, hat zwar weiterhin seine Berechtigung, doch ist vor einem überhöhten Verständnis des "hierarchischen" Priesteramtes zu warnen. Man sollte das Wort vom Priestertum aller Gläubigen endlich ernst nehmen. 

Vor allem aber sollte die Kirche aufhören, den Menschen zu sagen, was sie tun sollen und ihnen moralische Vorschriften zu machen. Sie sollte ihnen vielmehr sagen, wer sie sind: nämlich eine Inkarnation des Einen, den wir Gott nennen, nicht mehr oder weniger als die Amtsträger in der Kirche auch. Sie müsste damit beginnen, die Menschen zur Erfahrung ihres tiefsten Wesens zu führen, wie das einzelne charismatische Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche bereits tun.







Mittwoch, 13. April 2016

Ein Sakrament

Auf katholisch.de wird versucht zu erläutern, was man unter einem Sakrament zu verstehen hat.

Sakramente, heißt es unter Bezugnahme auf Augustinus, seien sichtbare Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit. Ein Sakrament sei mehr als ein bloßes Symbol, es enthalte göttliche Gnade (also die liebende Zuwendung Gottes zum Menschen und sogar 'den ganzen Christus'.

Ein Sakrament wirke immer durch die vollzogene Handlung allein (ex opere operato), ungeachtet des Glaubens oder Charakters von Spender oder Empfänger. 

Jesus selbst sei das Ur-Sakrament, und die Kirche als Ganze sei Sakrament.

Die Sakramente, auch als Realsymbole bezeichnet, seien Zeichen der Gnade und zugleich ihre Ursache, da sie selbst Gnade erwirken.

So weit ein paar erhellende Zitate aus dem Text.

Wenn ein Sakrament also allein dadurch "wirkt", dass ein Ritus vollzogen wird,wenn es göttliche Gnade "enthält" und sogar "erwirkt", dann ist dies eine unverkennbar verdinglichte Sichtweise mit magischem Charakter. Ich frage mich, wer so etwas heute noch wirklich nachvollziehen, geschweige denn "glauben" kann. Es erinnert eher an Naturreligion und Schamanismus als dass es zu einer wirklichen Erfahrung des Geistes führen kann.








Dienstag, 12. April 2016

Anliegen des Papstes

Der Papst hat die "kirchliche Mitwirkung an Hexenverfolgungen und Ketzerverbrennungen als Unrecht angeprangert", so ist hier zu lesen. Diese Menschen seien getötet worden, "weil sie sich nach Meinung der Richter nicht dem Wort Gottes anpassten."

Spontan denke ich mir: Ja, es ist gut, dieses Unrecht einzuräumen und anzusprechen. Doch beim Überlegen frage ich mich, warum der Papst nur von kirchlicher "Mitwirkung" spricht. War nicht die Kirche die Haupttäterin? Wäre daher nicht ein "großes Schuldeingeständnis" angebracht?

Bei anderer Gelegenheit ruft der Papst dazu auf, "Mauern und Zäune, die heute Realitäten sind, niederzureißen. Gleichgültigkeit sei das größte Hindernis für Gerechtigkeit und Frieden. Und er spricht von dem aktuell erfolgten Beginn eines "einzigartigen und schrecklichen Weltkriegs auf Raten." [Fundstelle]

Auch hier trifft der Papst mit seinen Worten ins Zentrum des Problems. Aber er sieht nur die Mauern und Zäune bei den anderen, nicht die Mauern und Zäune innerhalb seiner eigenen Kirche. Wann wird die Kirchenleitung zum Beispiel beginnen, die selbst gebauten dogmatischen Mauern zu hinterfragen und dann abzutragen? Dann wäre der Papst mit seinen absolut notwendigen Ermahnungen schlichtweg glaubwürdiger.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass er sich nur in die Schar jener Politiker einreiht, die immer wieder meinen, Ermahnungen und Warnungen aussprechen zu müssen, und die letztlich nicht mehr ernst genommen werden.






Montag, 11. April 2016

Werte

Immer wieder wird gefordert, die Flüchtlinge müssten sich integrieren und dazu unsere Werte, die Grundwerte jedenfalls, annehmen.

Das ist plausibel, denn Integration ist notwendig, wenn nicht Parallelgesellschaften entstehen sollen. Nur: Was sind Werte?

Die Frage wird von den amerikanischen Autoren Raths, Harmin und Simon sehr pragmatisch beantwortet: Ein Wert ist für mich nur das, wofür ich bereit bin, mich einzusetzen. Alles andere bleibt wohl mündliche oder schriftliche Beteuerung oder Absichtserklärung, die sich gut anhört, bei der aber offen bleibt, ob einer wirklich dahinter steht.

Es wäre zwar höchst wünschenswert, dass die Zuwanderer unsere Werte tatsächlich als Werte in dem genannten Sinn übernehmen, doch dürfte das nur in wenigen Fällen wirklich funktionieren. Vielfach wird man sich damit begnügen müssen, dass sie diese unsere "Werte" zumindest respektieren.





Sonntag, 10. April 2016

Herzerfrischend

Ein herzerfrischender Text  von Alexander Görlach: "In babylonischer Gefangenschaft". Hier ein paar Zitate:

Ewiggestrige verweigern Papst Franziskus die Gefolgschaft. Dabei ist der Reformer vom anderen Ende der Welt die einzige Hoffnung der verknöcherten Kirchenhierarchie aufs Überleben

Es gibt diejenigen, die wollen, dass sich in der Kirche nichts ändert, weil sie sich nicht ändern wollen. Weil aus der Volkskirche schon längst eine Milieukirche geworden ist, in der hinter den römischen Kragen allerlei Luderhaftes geschehen darf, solange es nicht nach außen dringt.

Die Herrschaft des Gewissens über den Paragraphen ist nicht erst seit Luther im Bewusstsein des Christenmenschen lebendig. Sie gilt auch für den Katholiken, der seinem Gewissen als innerer Stimme immer verpflichtet ist, ...

Der Papst aus Argentinien ist ein Segen für die Kirche, die in ihrer europäischen Grundierung um sich selbst kreist. Der Pole auf dem Petrusthron hat geholfen, den Kommunismus zu Fall zu bringen. Der Deutsche hat die Kirche auf ihr philosophisches und patristisches Erbe verpflichtet. Dem Lateinamerikaner kommt eine Mammutaufgabe zu: die Kirche aus der babylonischen Gefangenschaft ihrer Selbstgerechtigkeit führen.

Ich habe dem allen nichts hinzuzufügen.







Samstag, 9. April 2016

Schöne Worte zur Ehe

Familienbischof Koch hat sich zum Lehrschreiben des Papstes Amoris Laetitia in einem Interview geäußert. [Fundstelle]

Er spricht von der Größe und Würde der kirchlichen Berufung von Ehe und Familie, die Ehe sei aus katholischer Sicht mehr als eine Lebensform, sondern eine heilige Wirklichkeit. Was die Frage des Kommunionempfangs für die wiederverheirateten Geschiedenen betrifft, sei der päpstliche Text "weder ein Freifahrtschein noch ein totales Verbot". Es werde hier ein "Stück Weg" eröffnet. Zu denken gebe die Frage des Papstes, ob die katholische Kirche in der Verkündigung nicht auch manches Belastende eingebracht habe, was den Menschen das Leben schwer gemacht habe. Usw. usf.

Schöne, gewählte Worte. Bleibt die Frage, was sie bedeuten.

Zum Beispiel: Ehe als kirchliche Berufung. Was soll das konkret heißen? Ist das nur eine Leerformel oder maßt die Kirche als Institution sich hier etwas an, das ihr gar nicht zusteht? Ehe kann als Berufung gesehen werden, ja, aber inwiefern ist sie eine "kirchliche Berufung"? Oder: Ehe als heilige Wirklichkeit. Geht es hier um Verdinglichung? Möglicherweise nicht, denn Ehe ist eine heilige Wirklichkeit, aber sie ist es nicht mehr und nicht weniger, wie auch andere Wirklichkeiten heilig sind. Um mit Leonardo Boff zu sprechen: Alle Wirklichkeit ist heilig.

Zur Frage des Kommunionempfangs für die Wiederverheirateten sei der Text des Papstes "weder ein Freifahrtschein noch ein totales Verbot". Was soll hier die Vokabel "Freifahrtschein"? Im Grunde ist es eine gewaltige Watschn für alle Betroffenen. So redet man, wenn man Menschen grundsätzlich unlautere Beweggründe unterstellt. Was für ein Menschenbild hat der Herr Familienbischof denn?

Und dann die rhetorische Frage, was die Kirche an Belastendem eingebracht habe. Das ist eine mehr als milde Formulierung für das viele Leid, das von der Kirche in all den Jahrhunderten ausgegangen ist. Ich muss gar nicht erst an die Inquisition erinnern, es genügt, wenn ich an meine lang verstorbene Großtante denke. Sie, damals schon eine alte Dame, sagte einmal, wie sehr sie und ihr Mann unter der kirchlichen Weisung gelitten hätten, dass "eheliches Beisammensein" nur mit der Intention des Kinderkriegens erlaubt sei. Sie war eine fromme Katholikin.

Schämt euch, ihr hohen Würdenträger, die ihr über Ehe und Familie fabuliert, eine Lebensform, die ihr nur vom Anschauen, aber nicht aus der Praxis kennt. 









Freitag, 8. April 2016

Liebesfreuden oder Freudenliebe?

Lang und heftig hat er gekreißt, der Berg, und hervorgehüpft ist eine Maus, nein, keine Maus, sondern das 200-Seiten lange Opus des Papstes: Amoris Laetitia. Sic!

Um es kurz zu machen: Gelesen habe ich das Papier (noch) nicht, das überlasse ich zunächst mal denen, die dafür bezahlt werden. Aber eine der wichtigsten Empfehlungen des Oberhirten befolgen meine Frau und ich schon seit langem: Der Kuss am Morgen, der bringt's! Ich weiß es, und der Papst wird wissen, wovon er spricht.

Und all das übrige? Das findet sich überall im Netz, zum Beispiel hier, und die schönsten Zitate auch auf Twitter: "Moralische Gesetze nicht als Felsblöcke auf das Leben von Menschen werfen." Ist doch schön, nicht?

Halt. Da war doch noch was. Ach ja: Die einen sind enttäuscht von dem Lehrschreiben, andere loben es über den Schellenkönig. Ich gehöre zu den ersteren, ich hatte im Grunde etwas anderes erwartet ... Mir kommt es vor, wie wenn einer beim Weitsprung einen Anlauf von 1 km nimmt und dann 1 m weit springt.

Ich hatte einen großen Wurf erwartet, eine wirkliche Zäsur, die mit dem kleinlichen Gezänk um Dogmen hin und Tradition her endlich Schluss macht. Aber der Papst, so charismatisch und frei er insgesamt auftritt und wirkt, ist im Grunde auch Gefangener seiner Kirche und ihrer 2000-jährigen Geschichte, will sagen ihrer zementierten Tradition.

Solange nicht wirklich realisiert wird, dass Christentum nicht in erster Linie aus richtigen Kenntnissen über den historischen Jesus besteht, sondern in der Beziehung zum lebendigen Christus (Marcus J. Borg), so lange man geschriebene Lehrerzählungen höher stellt als das gelebte Leben, so lange man nicht sieht, dass die Evangelien die Erfahrung und die Glaubensinhalte der frühen Kirche wiedergeben und keine wörtliche Aufzeichnung der "Lehre Jesu" sind, so lange wird sich an der Haltung des Kolosses Kirche nichts Grundlegendes ändern. Die drei Bremser: Ratzinger und Gänswein und Müller werden schon dafür sorgen. Punkt.

Nachtrag.
Eine Dame, Leserin meines Blogs, hat mir geschrieben: Die Kirche von UNTEN muss zum Umdenken gebracht werden, dann stürzt die von OBEN wie von selbst zusammen. Sichtbarer Erfolg: In der Basilika in Altötting sagte ein Pfarrer, dass er beschlossen hat, zu heiraten. Die Anwesenden klatschten Beifall.

Donnerstag, 7. April 2016

Banalisierung der Sakramente

Zwei Kardinäle (Sarah aus Guinea und Burke, US-Amerikaner) beklagen eine fortschreitende Verwässerung der katholischen Sakramente seit dem Zweiten Vatikanum. [Fundstelle]

Vielen Gläubigen und selbst manchen Priestern fehle das Verständnis und die Ehrfurcht vor den Riten, die das Wirken Gottes in der Welt sichtbar machen. ... Die Hostie sei der eigentliche Orientierungpunkt hin zu Gott. ... Priester müssten sich bewusst sein, dass sie als eine Art 'Verwalter' des göttlichen Heilswirkens fungierten.

Usw. usf.

Da sind sie wieder, die antiquierten Vorstellungen: Die Verdinglichung der Zeichen und die Kirche als Verwalterin des göttlichen Heils. 

Eine Übersetzung der biblischen Botschaft, die in Bildern und Symbolen spricht, in die heutige Zeit ist überfällig. Wer soll sie leisten und wie soll das geschehen, wenn allüberall Bremser am Werk sind?







Mittwoch, 6. April 2016

Die liebe Tradition

Aus der lebendigen Tradition des Glaubens dürfe kein starres System von Sätzen und Normen gemacht werden, betonte der Erfurter Altbischof Wanke bei einem Vortrag in Leipzig. Tradition im katholischen Sinn sei nicht "ein Weiterreichen des immer Gleichen", sondern vielmehr ein Wachstumsvorgang. Falsch wäre es, am Buchstaben festzukleben, die eigentliche Intention des Gottesgebotes zu vergessen und an den menschlichen Realitäten vorbeizusehen. [Fundstelle]

Das ist eine erfreulich weltoffene Position, denn genau das, was der Bischof kritisiert, passiert in der Kirche in einem Maß, das man nach dem Zweiten Vatikanum "eigentlich" nicht mehr erwartet hätte. Die "Tradition" wird absolut gesetzt, wird eins zu eins weitergereicht, und man übersieht geflissentlich, dass in der Vergangenheit oft und kräftig um Glaubensinhalte gestritten wurde. 

Petrus und Paulus zum Beispiel hatten eine massive Auseinandersetzung um den richtigen Weg der noch jungen "Kirchengemeinde". Sie konnten sich zum Glück nicht gegenseitig exkommunizieren, sondern haben ihre beiden Vorgehensweisen gegenseitig akzeptiert. Warum war das bei Hus oder bei Luther, um nur zwei herausragende Kirchenkritiker zu nennen, nicht möglich? Ihre berechtigten Auffassungen wurden nicht akzeptiert, sondern man hat sich beider schnell entledigt. Der eine wurde verbrannt, der andere exkommuniziert.

Hätte der heutige Papst, wenn er damals gelebt hätte, so eine Behandlung etwa auch zu fürchten gehabt?





Dienstag, 5. April 2016

Gänsweins Kritik

Katholische Verbände weisen die Kritik Gänsweins am Religionsunterricht zurück. Man teile zwar seine Einschätzung von mangelndem  Glaubenszeugnis und den "Leerstellen" in der Glaubensverkündigung, doch könne man nicht das Schulfach Religion für die Krise verantwortlich machen. "Die Hinführung zur Teilnahme am kirchlichen Leben ist nicht primär Aufgabe des Religionsunterrichts." [Fundstelle]

Gänsweins Kritik greift nicht aus zwei Gründen.

Zum einen werden grundlegende Einstellungen und Werthaltungen zuvörderst im Elternhaus vermittelt. Wenn dort kein ernsthaftes Interesse an religiösen Fragen vorhanden ist, kommt die Schule allemal zu spät. Schule kann zwar Wissen vermitteln und abfragen und abprüfen, doch werden erfahrungsgemäß Inhalte und vor allem Details mehr oder weniger schnell wieder vergessen. Schule hat die Aufgabe, mittels der verschiedenen Lerninhalte bildend zu wirken. Und gebildet ist nicht, wer möglichst viel weiß, sonst könnte man Google Bildung nicht absprechen.

Ein weiterer Punkt scheint mir in der Diskussion mit Gänswein mindestens so wichtig wie das eben Gesagte: Die Kirche selbst hatte über viele Jahrhunderte hinweg bildende Funktion, war im öffentlichen Leben dominant, hat die Menschen gegängelt und ihnen Vorschriften bis in Details ihres persönlichen Lebens hinein gemacht. Warum hat sie es nicht geschafft, in der Gesellschaft ein lebendiges Glaubensbewusstsein grundzulegen? 

Vielleicht ist es ja so, dass viele Menschen heute sehr wohl spirituelle Fragen haben und auf der "Suche" sind, dass aber die Kirche in ihrer aktuellen Erscheinungsform nicht überzeugen kann und vielfach (zum Beispiel mit ihren antiquierten Moralvorstellungen) eher abstoßend als anziehend wirkt. Ein Gegenbeispiel mögen lebendige Freikirchen sein, deren Mitglieder sich sehr aktiv am Gemeindeleben beteiligen und die nicht unwesentliche finanzielle Aufwendungen für ihre Kirchengemeinde auf sich nehmen.

Hierüber sollte Gänswein einmal nachdenken.









Montag, 4. April 2016

Feiern!

Das Wort "eigentlich" ist verräterisch. Und doch: Eigentlich habe ich es gewusst. Seit meiner frühen Kindheit schon. Das Jahr ist voller Kirchenfeste. Die Osteroktav ist kaum vorbei, Pfingsten noch nicht in Sicht, da feiert die Kirche das Fest Verkündigung des Herrn. Die "Kirchenjahre" gehen ineinander über.

Ich habe es gewusst, aber heute ist es mir in neuer Weise bewusst geworden: Viele Tage des Jahres sind Festtage. Jeder Tag des Jahres ist ein Tag, an dem Gott gewirkt hat und noch wirkt. Wenn einem das nur wirklich bewusst wäre: Jeder Tag müsste gefeiert werden.

Nur wie? Man kann nicht an jedem Tag ein großes Kirchenfest feiern. Nein. Kein Kirchen-Service! Es reicht, wenn der Tag bewusst gelebt und erlebt wird. Das sollte die Kirche den Menschen nahe bringen, dann müsste nicht ein engagierter Pfarrer sein Amt aufgeben und ins Kloster eintreten, weil er die Service-Mentalität nicht mehr erträgt. 

Ein Gedicht von Rose Ausländer, das ich bei Willigis Jäger gefunden habe, passt hierher:

Vor seiner Geburt war Jesus auferstanden -
Sterben gilt nicht für Gott und seine Kinder -
Wir Auferstandene vor unserer Geburt.





Sonntag, 3. April 2016

Die Lehre

Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen, deiner Seele und mit allein deinen Kräften. Und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.

Das ist, aus dem Gedächtnis zitiert, der Kern der Lehre Jesu. Was hat man im Laufe der Jahrhunderte daraus gemacht?

Die Epigonen haben nach und nach eine weltumspannende Organisation mit feudaler Struktur errichtet, haben immense Reichtümer angesammelt, haben mit Feuer und Schwert bekehrt und "Abtrünnige" verfolgt und ermordet, haben aus den vielen Worten Jesu, die in den Berichten (genannt Evangelien) enthalten sind, sich die passenden ausgesucht, andere eher vernachlässigt, haben vieles davon verdinglicht, haben einen rachsüchtigen Gott gepredigt, haben Angst eingeflößt und dadurch die eigene Macht gefestigt ... Und wundern sich, dass die Menschen sie zunehmend als unglaubwürdig empfinden, weil sie mit dem ganzen "Apparat" nichts (mehr) anfangen können.

Was die Menschen wirklich suchen und brauchen, ist etwas ganz anderes: Sie wollen erkennen und wirklich erfahren, dass das Reich Gottes in ihnen selbst ist. Dazu sollten die kirchlichen Feiern den Weg weisen. Diese Feiern - heute ist der sogenannte Weiße Sonntag, an dem Kinder erstmals zur Kommunion zugelassen werden - sollen uns sagen, dass wir "eine Epiphanie des Göttlichen sind, das sich genau in diese unsere Person eingegrenzt hat." (Willigis Jäger)

Die Menschen suchen nicht nach der "reinen" Lehre, nach einer Doktrin und nach Dogmen, nicht nach Würdenträgern und Pseudosicherheiten. Sie sind auf der Suche nach der Erfahrung des Göttlichen in ihrem eigenen Leben.







Samstag, 2. April 2016

Reformationsjubiläum

Der 31. Oktober 2017 wird kommen und mit ihm das 500. Reformationsjubiläum. Wie soll man sich vorbereiten und wie soll man damit umgehen?

Der Papst wird zu diesem Jubiläum nicht nach Deutschland kommen. Schade. Vielleicht, weil er dann schon nicht mehr im Amt sein wird?

Oder weil die Katholiken etwa keinen Anlass haben, dieses Jubiläum zu feiern? So sagt es jedenfalls der oberste Glaubenshüter. [Fundstelle] Dieses Datum werde als Beginn der Reformation angesehen, die zu einem Bruch der westlichen Christenheit geführt habe. Wir "können nicht akzeptieren, dass es ausreichende Gründe gebe, sich von der Kirche zu trennen", sagt Müller. Moment mal: Luther hatte keine Trennung beabsichtigt, er wollte Missstände in der kirchlichen Praxis aus dem Weg räumen, und dafür hat man ihn exkommuniziert. Er hatte Glück, dass er mit dem Leben davongekommen ist.

Man kann auch anders auf das Jubiläum zugehen. Das reformatorische Erbe leiste als 'Freiheits- und Versöhnungskraft' einen wesentlichen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft, die europäische Einigung und einen gerechten Frieden in der Welt, heißt es in einem Papier des Leitungskreises für das 500. Reformationsjubiläum. [Fundstelle] In der Einladung zu den Veranstaltungen im Jahr 2017 bildet die Ökumene einen Schwerpunkt. "Durch die Konzentration auf Jesus Christus 'können und werden wir das Jahr 2017 zusammen mit unseren Geschwistern in anderen Kirchen als Christusfest feiern'."

Wenn das Gerede des Vatikans und der obersten Kirchenleitung  von der Einheit wirklich ernst gemeint ist, gäbe das Jahr 2017 einen excellenten Anlass, damit ernsthaft zu beginnen. Für Müller wird es allerdings nicht ganz einfach sein, von seinem hohen Ross herunterzukommen.







Freitag, 1. April 2016

Gesetz oder Nachfolge?

Ich wollte heute über eine Karfreitagspredigt schreiben: "Verloren und gefunden: Lamm sucht ein Schaf". Sie kann auch beim Nachlesen noch ansprechen. [Fundstelle]

Es geht in dieser Predigt, die kurz nach den Anschlägen in Brüssel konzipiert wurde, um Unordnung und Ausgrenzung und Gesetze. Oder besser: Es geht darum zu erkennen, dass nicht das Gesetz den Himmel auf Erden schaffen kann, so wichtig Gesetze sein mögen, sondern die Nachfolge. "Umkehr und Buße bedeuten seit Ostern damals, wieder neu einzutreten in die Nachfolge."

Wir brauchen Gesetze, aber sie dämmen nur ein und verändern keine Herzen. ... Sie "definieren genau ein 'wir sind drinnen' und 'die sind draußen'."

"In dem Maße, wie ihr Gesetze ... aufrichtet in eurem Leben, wird die Sünde zunehmen."

"Nimm barmherzig und gnädig an und grenze nicht aus."

Nun ist mir gerade heute ein "Gesetzgeber" untergekommen, kein geringerer als der oberste Glaubenshüter des Vatikans: Müller. Nein, er ist kein Gesetzgeber, er achtet nur darauf, dass die vorhandenen Gesetze - und derer gibt es unsäglich viele - peinlich genau befolgt und umgesetzt werden. Und er richtet Zäune auf. [Fundstelle] Der Artikel, auf den ich mich beziehe, ist zwar mit "Hohe Erwartungen an Papstschreiben" tituliert, aber zum größeren Teil geht es darin um ein neues Buch von Müller. Dessen Exegese zeige Punkt für Punkt, dass die Worte von Franziskus zu Missverständnissen führten. Doch dürfe man den Papst nicht fehldeuten, so die Warnung. Zum Beispiel die Papst-Äußerung, die Eucharistie sei ein großzügiges Heilmittel für die Schwachen und keine Belohnung der Vollkommenen. Oder dass man doch aus einer anderen Papst-Äußerung ("Wer bin ich, ihn zu verurteilen?" hatte der Papst über einen Homosexuellen gesagt) keine verdrehten Ideen zur Sexualmoral herleiten möge. Usw. usf.

Der Mann steckt voller Angst, er baut Zäune und Mauern auf, damit ja kein Jota an der sogenannten Tradition verändert werde. Er grenzt ab: Die da draußen - und wir hier drinnen. Das ist nicht nur ausgrenzend, es ist abstoßend. Mit seinem Buch will er angeblich schon im Vorgriff einen Leseschlüssel für das am 8. April zu erwartende Papstschreiben geben ... Hat sich etwa eine deutsche Trias gegen Franziskus (der im Übrigen auch Befreiungstheologen nahe steht) formiert: Ratzinger, Gänswein und Müller?

Wie dem auch sei, ich freue mich, dass ich nicht nur den römischen Katholizismus und seine ausgrenzenden Aspekte kennengelernt habe, sondern evangelische Freikirchen und menschliche Pastoren, die gerade nicht ausgrenzen, sondern einbeziehen. Zum Beispiel die sehr lebendigen, engagierten Methodisten.