Donnerstag, 31. März 2016

Das Heil

Immer wieder stolpere ich über formelhafte und wohlfeile Verlautbarungen von Oberhirten. Diesmal ist es ein Tweet von Erzbischof Schick: "Kreuz Zeichen d.Treue!Jesus blieb Versprechen,uns Heil zu bringen,treu bis zum Tod.Ohne Treue keineLiebe,keinZiel.Heute überTreue nachdenken."

Ich kann damit nichts anfangen. So reagiere ich instinktiv mit der schnellen Frage, wo und wie genau Jesus das versprochen habe. Ich bekomme Antworten, zwar nicht vom Bischof selbst, jedoch von einem Kommentator. Er bringt eine Reihe von Zitaten aus dem Neuen Testament. Zum Beispiel: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", "Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein", "Ich bin die Tür..." oder "Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben... Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben" oder "Wenn das Weizenkorn, das in die Erde fällt, nicht stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt trägt es viel Frucht."
Ich weise darauf hin, dass all dies nicht den Kreuzestod Jesu voraussetzt. Schick hatte aber gesagt, das Kreuz sei Zeichen der Treue Jesu. Antwort: „Der Bischof hat  nicht behauptet, dass es nur so [gemeint ist: durch den Kreuzestod] geschehen konnte. Es war aber nun mal am Kreuz. Und daher ist im Kreuz ‚Heil‘.“

Das sind zugegebenermaßen schöne Bibelstellen, ich kenne sie. Doch können sie nicht belegen, dass Jesus sich zu Lebzeiten als denjenigen gesehen hat, der uns Heil bringen werde, etwa in dem Sinn, dass wir genau durch sein Sterben am Kreuz erlöst würden. Ich bin sicher, er hat geahnt, dass es zur endgültigen Konfrontation mit dem theologischen Establishment kommen werde, doch glaube ich nicht, dass er seinen Tod auf diese Weise gesucht hatte, um so die Menschheit zu „erlösen“. Er ist sich treu geblieben bis zuletzt, ist nicht davongelaufen.

Um welches „Heil“ geht es dem Bischof? Geht es um Heilung, um Heiligung, um ewiges Leben? Das bleibt offen. Es ist eine Formel, die den Gläubigen durch oftmaliges Hören vertraut ist. Das Kreuz als das „Heil“ zu sehen, wäre aber eine Verdinglichung. Wenn es um Heil geht, dann ist nicht das Kreuz, sondern dann ist Jesus Christus dieses Heil. Jesus ist der Weg, er ist die Wahrheit, er ist das Leben, er ist die Tür … Aber nicht in einem vordergründig wörtlichen Sinn, sondern so, wie Eckhart Tolle es andeutet:
„… Dein innerstes Wesen ist Wahrheit. Das versuchte Jesus mitzuteilen, als er sagte: 'Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.' Dieses Wort Jesu ist, wenn es richtig verstanden wird, einer der kraftvollsten und unmittelbarsten Hinweise auf die Wahrheit. Bei falscher Interpretation hingegen wird es zu einem großen Hindernis. Jesus spricht vom innersten 'Ich-bin', von der Wesensidentität aller Menschen und letztlich aller Lebensformen überhaupt. Er spricht von dem Leben, das wir sind. Einige christliche Mystiker haben es den 'innersten Christus' genannt; die  Buddhisten nennen es 'Buddhanatur' und die Hindus 'Atman', den uns innewohnenden Gott. Wenn du mit dieser Dimension in dir selbst in Berührung bist - und mit ihr in Berührung zu sein ist nicht etwa eine erstaunliche Leistung, sondern dein natürlicher Zustand -, spiegeln alle deine Handlungen und Beziehungen die Einheit mit allem Leben wider, die du tief innerlich spürst.“ [Eckhart Tolle. Eine neue Erde]


Die zitierten Behauptungen Schicks können in der vorliegenden Form nicht verteidigt werden. Schon gar nicht mit einer Pseudotheologie. Man kann sie als ohnehin Glaubender so stehen lassen, aber nicht rational begründen. Das ist jedenfalls schlechter Predigtstil, wie er den Gläubigen über Jahrhunderte hinweg zugemutet wurde. Und genau das ist es, was mich an dem Tweet so stört. Was soll jemand, der nicht ohnehin „auf Linie“ liegt, denn damit anfangen? Man wird belehrt, hat schweigend zuzuhören und das, was gelehrt wird, gläubig anzunehmen. Da werden einem ein paar Versatzstücke, die man so oder anders schon kennt, hingeworfen. Das war‘s dann auch.






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