Freitag, 11. September 2015

Klare Kante

Im jüngsten Spiegel-Dialog (Nr. 37/2015) zeigt sich der Münchner Kardinal als eloquenter, geschmeidiger Gesprächspartner. Beim Thema Flüchtlinge zeigt er sich schockiert, es sei entsetzlich, was da passiert. Auf die Frage, ob die Stimme der Kirche nicht lauter sein müsse, sagt er: Wir sprechen es aus, wir predigen, wir schweigen nicht. Und weiter: Es sei die gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die ihm Sorge mache, europaweit nehme eine Tendenz zu, die etwas "retro" orientiert und provinziell ist. ... "Wir müssen einen neuen geistigen Schwung aufbringen für das, was Europa einmal sein soll. Dazu brauchen wir ein frisches Denken, sonst zerbröselt alles in Eigeninteresse ..." Und schließlich auf die Frage: Wer führt den innerkirchlichen Widerstand gegen den Papst eigentlich an?" Marxens Antwort: "Gibt es den? Bei mir hat sich noch keiner gemeldet ..."

Schöne Worte, großteils wahre Worte. Aber die "klare Kante" vermißt er eher bei anderen als bei der Kirche oder bei sich selbst. Man müsse jedem, der in diesem Land verantwortungsvoll sein bürgerliches Leben führen will,sagen: Du solltest schon überlegen, hinter welcher Fahne und Parole du herläufst, denn dann sitzt du auch mit im Boot.

Nun, die Bischofssynode wird bald beginnen. Spätestens dann sollte der Kardinal sich an seine Worte erinnern und sich fragen, ob er etwa "retro" und provinziell orientiert ist, ob er das dringend notwendige frische Denken aufbringen kann, oder ob die Kirche insgesamt im "Eigeninteresse" zerbröselt, kurz: Er sollte sich überlegen, hinter welcher Fahne er selbst herläuft.

Ach ja, und irgend jemand sollte ihm einmal nahelegen, seinen ungepflegt wirkenden Stoppelbart zu rasieren ...



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