Samstag, 22. August 2015

Religion als Erfahrung

William James, Psychologe und Philosoph, befaßt sich mit Religion als Erfahrung. Religion als religiöse Erfahrung stellt er gegen eine Bestimmung von Religion als Fürwahrhalten eines Systems dogmatischer Lehrsätze.

In seinem berühmten Werk "Die Vielfalt religiöser Erfahrung" beschreibt er u. a. die Wirklichkeit des Unsichtbaren, schildert den Bekehrungsprozeß, beschäftigt sich ausführlich mit Heiligkeit und Mystik ...

"... der ursprüngliche Faktor", schreibt William James, "bei der Fixierung der Götterbilder muß stets psychologisch gewesen sein. Die Gottheiten, für die die Propheten, Seher und Gläubigen, die den besonderen Kult gründeten, Zeugnis ablegten, besaßen irgendeinen persönlichen Wert für sie. Sie konnten ihn gebrauchen. Er leitete ihre Phantasie, gab ihnen Hoffnung und kontrollierte ihren Willen - oder andernfalls benötigten sie ihn als Schutz gegen den Dämon und einen Zügel für anderer Leute Verbrechen. Auf jeden Fall erwählten sie ihn wegen der Früchte, die er ihnen zu gewähren schien. Sobald die Früchte anfingen, ziemlich wertlos zu scheinen, sobald sie mit unaufgeblichen menschlichen Idealen in Konflikt gerieten oder andere Werte zu weitgehend verletzten, sobald sie der Reflexion als kindisch erschienen - verächtlich oder unmoralisch -, wurde die Gottheit unglaubwürdig und über kurz oder lang mißachtet und vergessen. Auf diesem Weg mußten die griechischen und römischen Götter auf Glauben bei gebildeten Heiden verzichten, in dieser Art beurteilen wir selber die hinduistische, buddhistische und mohammedanische Theologie, Protestanten sind so mit den katholischen Begriffen der Gottheit verfahren und liberale Protestanten mit den Begriffen des älteren Protestantismus; auf diese Weise beurteilen die Chinesen uns und werden wir alle, die wir jetzt leben, von unseren Nachkommen beurteilt werden. ...  Nur wenige geschichtliche Veränderungen sind merkwürdiger als dieser Wandel der theologischen Meinung."

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