Montag, 24. August 2015

Gottersvergiftung

Tilman Moser, Psychoanalytiker, beschreibt in seinem Buch "Gottesvergiftung" seine religiöse Erziehung und sein Leiden an Gott.

"Was wird der liebe Gott dazu sagen? Durch diesen Satz war ich früh meiner eigenen inneren Gerichtsbarkeit überlassen worden. Im Grunde mussten die Eltern gar nicht mehr sehr viel Erziehungsarbeit leisten der Kampf um das, was ich tun und lassen durfte, vollzog sich nicht mit ihnen als menschliche Instanz, mit der es einen gewissen Verhandlungsspielraum gegeben hätte, sondern die Selbstzucht, wie das genannt wurde, war mir überlassen, oder besser, der rasch anwachsenden Gotteskrankheit in mir. ...

Über seelische Vorgänge, gar über Ängste, wurde in unserer Familie nicht geredet. So war ich deinem Wüten in mir ausgeliefert und hatte nicht einmal den Gedanken daran, dass es irgendwo Entlastung geben könnte. Dein Hauptkennzeichen für mich ist Erbarmungslosigkeit. Du hattest so viel an mir verboten, dass ich nicht mehr zu lieben war. ...

Ich habe dich, wie es mir deine Diener nahe legten, angestaunt ob deiner Güte, Abraham den Isaak nicht schlachten zu lassen. ... Bei deinem eigenen Sohn warst du dann ungenierter und hast deinem Sadismus freien Lauf gelassen. Man hat mir weismachen wollen, dass du mit seiner Opferung am Kreuz den neuen Bund der Liebe hast einläuten wollen. Und wiederum habe ich versucht, auf allgemeine Aufforderung hin, dich anzustaunen, weil du für mich armen Sünder deinen einzigen Sohn geopfert hast. ... "

Soll man diesen Aufschrei einer gequälten Seele als Einzelfall abtun? Nein, das kann man nicht. Groß ist die Zahl derer, die unter dem Joch der Kirche, nicht nur der katholischen, gelitten haben.




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