Samstag, 27. August 2016

Wider den Gehorsam


Die Frage, warum Menschen das, was andere ihnen zu glauben vorlegen oder gar vorschreiben, oft so bereitwillig annehmen, hat mich immer wieder beschäftigt.

Ein Grund dafür liegt wohl im Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Denn wenn ich mich gegen etablierte allgemeine Glaubensvorstellungen wende, werde ich von der Gemeinschaft ausgestoßen. Das war in der frühen Stammesgeschichte oft gleichbedeutend mit einer Verurteilung zum Tod. Und es ist auch heute noch für viele schwer oder kaum erträglich.

Doch kann man bei der Analyse noch tiefer gehen, wie es der Psychoanalytiker Arno Gruen in seiner Schrift "Wider den Gehorsam" getan hat. 

"Lange bevor wir sprechen können und sich unser Denken organisiert, müssen wir lernen, gehorsam zu sein und unsere Gefühle zu unterdrücken. In allen Lebensbereichen erzwingt unsere Zivilisation einen reflexartigen Gehorsam. Zugleich belohnt sie ein Gruppendenken, das ein selbstbestimmtes, freies Denken unmöglich macht." So kann man im Klappentext lesen. Arno Gruen analysiert "die Pathologie der freiwilligen Knechtschaft: Wir selbst halten uns nicht für gehorsam. Wir erkennen nicht, dass wir unsere Unterdrücker idealisieren und ihnen dadurch Macht über uns verleihen."

Auch wenn Gruen den Bereich Glaube und Kirche nicht eigens thematisiert, so gelten seine Überlegungen m. E. gerade auch hier. Warum unterwerfen sich angehende Priester am Beginn ihrer Laufbahn einer von Menschen gemachten unmenschlichen Zölibatsverpflichtung? Warum werfen sie sich beim Weiheritual zu Boden und unterwerfen sich damit für alle sichtbar dem Bischof und der kirchlichen Obrigkeit? Das ist letztlich Ausdruck ihrer Identifikation mit dem "Unterdrücker". 

Die Folge des frühkindlich gelernten Gehorsams ist ein Verlust der Fähigkeit zur Empathie. Das von Ilse Sixt gesammelte Material legt den Verdacht nahe, dass nicht wenige Kleriker genau daran leiden.

Die Devise kann also nicht noch mehr Gehorsam sein, nicht noch mehr Gehorsam dem Bischof oder dem "Heiligen Vater" gegenüber (was gerne als Gehorsam Gott gegenüber verbrämt wird), sondern endlich aufzuwachen und wider die lähmende und krankmachende Haltung des Gehorsams aufzustehen. 

Gehorchen darf man nur seinem Gewissen.















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