Samstag, 21. November 2015

Moral des Westens?

Die Versuchung, die Grenzen zu schließen und das Ende der Willkommenskultur zu verkünden, ist mit Händen zu greifen. Aber nicht nur die Moral, auch die politische Klugheit verbietet diesen Kurzschluss. Er würde bestätigen, dass Europa seine sittliche Substanz verloren hat und moralisch entkernt ist. Dass es nur eines äußeren Anstoßes bedarf, um die Mauern eines dysfunktionalen Systems zum Einsturz zu bringen. ...
Europa kann der heutigen Welt kein geschlossenes Bild mehr von sich vermitteln. Schwindet die Nächstenliebe, ist auch das Prinzip der gleichen Freiheit gefährdet. ...
... bietet der Flüchtlingsstrom mit seinem Zwang zur Integration dem Westen die Chance, sich der moralischen Tiefe seiner eigenen Tradition wieder neu zu vergewissern, den offenkundigen Makel des Kapitalismus zu korrigieren, statt den Liberalismus vor den Augen der muslimischen Fundamentalisten zur bloßen Permissivität und zu einem achselzuckenden Werterelativismus verkommen zu lassen.

[Romen Leick: Die Macht der westlichen Moral. Spiegel 48/2015]

Vergleichbares ist mir von den Bischöfen bisher nicht erinnerlich.



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