Donnerstag, 7. Januar 2016

Kreatives Gedächtnis

Es sind die geteilten Erinnerungen, die das Weltbild einer Gemeinschaft schaffen, ihr Geschichtengut - auch wenn dafür einiges umgedeutet oder übertrieben, ausgelassen oder herbeifantasiert wird. 'Das geschieht automatisch', sagt Hirst. 'Es ist eine unvermeidliche Folge sozialer Interaktion.'
Auch der Wegfall unpassender Inhalte zeigt, wie plastisch das Gedächtnis ist. Der amerikanische Psychologie Daniel Kahneman konnte nachweisen, wie stark wir Erlebtes im Rückblick raffen, verdichten und schönen - stets im Dienste eines erfreulichen, erzähltauglichen Gesamtbildes. ...

[Spiegel Nr. 1/2016: Das eingebildete Leben]

Was hier aus dem gedruckten Spiegel zitiert wird, gilt sicherlich auch für die Entstehung der kirchlichen Strukturen. Die Jesus betreffenden Geschichten wurden anfangs überwiegend mündlich tradiert, niedergeschrieben wurden die Evangelien erst 30 bis 40 Jahre nach seiner Ermordung. Man sollte also mit den Texten sehr vorsichtig umgehen. Nicht dass diese Texte per se "falsch" wären, nein, sie berichten von der "Sache Jesu", schildern sein Auftreten als Wanderprediger und Heiler, zeigen seine immense spirituelle Kraft. Doch sollte man sich hüten, zum Beispiel die Jesus zugeschriebenen Aussagen allzu buchstabengetreu zu nehmen, als "Tradition" zu hüten und unbesehen auf die heutige Situation anzuwenden. 

Was der Kirche heute fehlt, sind Menschen, die es schaffen, die "Botschaft" Jesu in unsere Zeit und für unsere Zeit zu "übersetzen".






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