Dienstag, 26. Januar 2016

Amtsverständnis

Zum Thema Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche.
Bedenkenswerte Zitate aus einem Interview mit dem Fundamentaltheologen Magnus Striet (Hervorhebungen durch mich):

Im Raum der Kirche muss die Frage gestellt werden, ob nicht auch Theologie einen Anteil daran hat, dass es zu Missbrauch durch Amtsträger kommen konnte. Ich weise nur auf die hochgradig spiritualisierte Kategorie der Reinheit hin. 
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Wenn Kirche anerkennt, dass sich die Ambivalenz der Welt in ihr selbst zeigt und sie selbst eine ambivalente Größe darstellt, dann stünde sie viel glaubwürdiger in der Welt da. Wenn man Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde begreift, dann hat er selbst diese Welt in all ihre Ambivalenzen und Undurchsichtigkeiten entlassen – und dann kann es auch die Kirche nur als eine solche, stets ambivalente Größe geben. Mit Verweltlichung hat dies nichts zu tun.
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Spätestens seit den Zeiten des Augustinus wurde das Verständnis dessen, was Erlösung meint, auf die Sünde des Menschen und umgekehrt das Menschenbild auf die Sünde hin konzentriert. Etwas zugespitzt könne man sagen: So übte die Kirche Macht aus. Dies hat nicht nur zu den großen Abbrüchen der Überlieferung des Christlichen zumindest in den europäischen Gesellschaften geführt, sondern auch eine Sprachlosigkeit erzeugt, wenn es um die Opfer von Gewalt geht.
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Von Anfang an war man sich darüber im Klaren, dass auch Amtsträger Menschen sind, die von Schuld und Sünde gezeichnet sind. Deshalb hat man versucht, die Wirksamkeit sakramentalen Handelns unabhängig von der Person zu begreifen, die die Handlungen vollzieht. Fakt ist jetzt, dass das Amt nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle zutiefst geschädigt worden ist. ...
Insgesamt ist die Vorstellung vom Amt in seiner hochgradig spiritualisierten Form auszunüchtern. Die Güte Gottes unter sakramentalen Zeichen wird immer von Menschen vermittelt, die die Ambivalenz des Lebens in sich tragen. 
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Sakramentale Handlungen und die Sakramente als Zeichen der Gegenwart Gottes wollen aussagen, dass Gott mit seinem in Jesus endgültig offenbar gewordenen Versprechen, dem Menschen unbedingt treu bleiben zu wollen, in den konkreten Lebenswirklichkeiten präsent ist. An diesem Grundverständnis dessen, was sakramental meint, muss meines Erachtens nichts geändert werden. Welcher andere Gott dürfte auch die Akzeptanz von Menschen finden? Gefordert ist theologische Bildung auf den kirchlichen Feldern, dass eben dies gemeint ist und das Sakrament nichts Magisches ist. Glaubwürdig wird diese sakramentale Dimension von Kirche freilich nur, wenn diejenigen, die für diese Sakramente einstehen, sie spenden, realistische Menschen sind und nicht als Selbststilisierungen von Heiligkeit wahrgenommen werden.

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