Freitag, 8. Januar 2016

Wo ist die Religion?

"...nichts ist so staubgrau versunken wie die Differenzen der Vergangenheit - das Heilige römische Reich, ein Witz, Religion gibt es ohnehin nicht mehr, einen Gegensatz zwischen Rom und den Barbaren, wer dürfte den im technokratischen Einheitseuropa noch zu erkennen wagen. ..." [Fundstelle]

Interessanter Essay von Martin Mosebach in der SZ zur Serie "Was ist deutsch?". Der wie beiläufig eingestreute Halbsatz: "Religion gibt es ohnehin nicht mehr" lässt mich kurz stutzen. 

Was? Religion gibt es nicht mehr? Das kann doch nicht stimmen. Betrachten wir nur die schönen, alten Kirchenbauten, in denen hochdekorierte Prälaten an Hochfesten farbenfrohe Gottesdienste feiern, hören wir doch die Kirchenglocken weit ins Land erschallen, schauen wir auf die Aktivitäten des Papstes zur Renovierung kirchlicher Strukturen ... Ist das nicht lebendige Kirche? Zeigt das nicht die Präsenz der Religion?

Nein, das stimmt so nicht. Kirche und Religion sind im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht mehr wirklich präsent. Wen interessiert noch, was verlautbart wird. Auch wenn man in der Asyl-Diskussion gerne und oft auf die sogenannten christlichen Werte verweist. Die Kirchenfunktionäre sind zwar weiterhin aktiv, gehen ihren täglichen Geschäften nach, melden sich gelegentlich zu Wort, aber ihr Tun wird weithin als belanglos empfunden. Es fehlt die spirituelle Kraft. Kirche und Religion sind noch da, wie ein Chitin-Panzer, das ehemals Lebendige aber ist längst vermodert. 

Was ist vermodert? Die Amtskirche, ihr Kirchenrecht und ihre Katechismusweisheiten sind für viele obsolet geworden, werden als Ärgernis empfunden. Nicht verschwunden ist hingegen eine "religio" an den Urgrund, aus dem alles kommt und in dem alles lebt. Die Sehnsucht nach dem "ganz Anderen" lebt in den Menschen weiter.








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