Gedanken und Fragen zum Thema Organspende
1.
Die großen Kirchen in Deutschland, die katholische und
die evangelische, befürworten die Organspende. Denn: Ist es nicht
Christenpflicht, seine Organe am Lebensende jemandem, der sie dringend braucht,
zur Verfügung zu stellen? Ein Werk der
Barmherzigkeit also. Schon im alten Rom galt ja: Dulce et decorum est pro
patria mori.
2.
Dass man einem nahestehenden Menschen im Notfall
freiwillig eines seiner paarigen Organe zur Verfügung stellt, kann hier außer
Betracht bleiben, denn der Spender muss zum Zeitpunkt der Organentnahme nicht tot
sein. Frank-Walter Steinmeier, der seiner Frau eine Niere spendete, hat vorbildlich gehandelt.
3. Anders ist es am Lebensende. Spirituelle Traditionen weisen darauf
hin, wie wichtig es ist, seinen Tod zu vollenden, denn der Verstorbene
braucht eine gewisse Zeit, bis sich die Seele vom Körper gelöst hat (nachzulesen
etwa im Tibetischen Buch vom Leben und Sterben, auch unsere Altvorderen wussten
noch davon).
4.
Der Organspender kann seinen Tod aber nicht in diesem Sinn vollenden, er ist zu dem Zeitpunkt, zu dem ihm Organe entnommen werden, noch nicht „wirklich“
tot. Er ist zwar hirntot, wie man sagt, aber die elementaren Lebensfunktionen müssen
noch funktionieren, andernfalls wären seine Organe für eine
Transplantation nicht mehr brauchbar. Es gibt genügend Berichte, in denen
geschildert wird, dass der Organspender bei der Entnahme der Organe festgebunden
oder anderweitig sediert werden muss, was darauf hindeutet, dass der Körper
sich gegen die Organentnahme bei lebendigem Leib in irgendeiner Weise wehrt.
5.
Warum besteht in unserer Gesellschaft so großes
Interesse an der Organspende, dass man als Spender gilt, ehe man zu Lebzeiten nicht förmlich
widersprochen hat? Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Es scheint, als seien Organhandel
und –transplantation ein gutes Geschäft. Wer profitiert davon? Wie hoch sind
die Gewinnspannen?
6.
Wie viele Ärzte und kirchliche Würdenträger haben
nicht nur Organspende propagiert, sondern sich selbst als Organspender zur
Verfügung gestellt? Liegt der prozentuale Anteil bei diesen Berufsgruppen höher
oder niedriger als bei der übrigen Bevölkerung?
7.
Die eindeutige und in gewissem Sinn einseitige
Parteinahme der Kirchen lässt sich vielleicht aus einer latent noch vorhandenen
manichäischen Leibfeindlichkeit heraus verstehen. Die generelle Haltung ist ja
die, dass der Mensch auf das „Jenseits“ hin lebt, die physische Existenz wird
als Durchgangsstation betrachtet. „Herr, hilf mir meine Seele retten“, wird mancherorts
gebetet. Denn auf die Seele, so bin ich geneigt zu ergänzen, kommt es an, der
Leib kann ausgeschlachtet werden.
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