Freitag, 21. Juli 2017

Entchristlichung?

Der ehemalige oberste Glaubenshüter Kardinal Müller ist der Meinung, Europa erlebe eine forcierte Entchristlichung. [Fundstelle] Und zwar eine Entchristlichung der gesamten anthropologischen Grundlage.

Vermutlich irrt der gute Mann, er verwechselt Entchristlichung mit Entkirchlichung. Letzteres trifft zu, zum Glück. Lange hat es gedauert, bis die Menschen sich von der Gängelung durch die Institution Kirche befreit haben. Aber nun ist es so weit.

Über Jahrhunderte hinweg hatte die Kirche das Sagen, und hat es nicht vermocht, das sogenannte "Christliche" so stark zu verankern, dass eine Entchristlichung nicht möglich und vor allem nicht notwendig gewesen wäre. Im Gegenteil: Sie baute einen Popanz auf, einen rachsüchtigen und lieblosen Gott, und pflegte und lehrte einen Atheismus im Sinne von Rupert Lay. Und diese unchristliche Überinstanz ist nun endlich am Verschwinden ...







Donnerstag, 13. Juli 2017

Von der Zeit



Die Zeit ist ein Strom, der dich mitreißt,
     aber du bist der Strom.
Sie ist ein Tiger, der dich zerfleischt,
     aber du bist der Tiger.
Sie ist ein Feuer, das dich verzehrt,
     aber du bist das Feuer.

[Jorge Luis Borges]

gefunden in Andreas Salcher. Meine letzte Stunde.










Montag, 3. Juli 2017

Müllert es noch?

Der Papst hat die Amtszeit des obersten Glaubenshüters Kardinal Müller nach der regulären Zeit von fünf Jahren nicht verlängert. Manche sagen, Müller sei geschasst worden.

Über die Gründe wird gerätselt, dabei ist die Sache doch sonnenklar. Müller hat immer wieder versucht, dem Papst Grenzen aufzuzeigen, hat sich wohl gewaltig überschätzt. Einmal soll er in einem Interview geäußert haben, er sehe es als seine Aufgabe, dem Papstamt Struktur und Form zu geben. Als ob er Franziskus das Papstamt nicht zutrauen würde.

Ich habe mich oft gewundert, warum Franziskus ihn am Beginn seiner Amtszeit in seinem Amt belassen hat, das ihm erst 2012 von Ratzinger, seinem Förderer, übertragen worden war. Von einem Ratzinger, der damals möglicherweise schon über seinen Rücktritt nachdachte und noch Fakten schaffen wollte ... Hat es sich nun ausgemüllert? Im Vatikan wohl schon, doch Müller dürfte Franziskus nun noch intensiver beobachten, wenn nicht gar als Außenstehender zu korrigieren versuchen.

Das Erbe des Ratzingerpapstes beginnt jedenfalls zu bröckeln, und das ist gut so. Hans Küng hat sich über Ratzinger als Papst ohnehin sehr kritisch geäußert. Noch vor kurzem hat Gänswein von einem erweiterten Papstamt fabuliert, einem aktiven Papst und einem im Hintergrund noch anwesenden Papst. Bis Franziskus solchem Hokuspokus ein Ende gemacht hat: Es gibt nur einen Papst, hat er gesagt. Punkt.

Gänswein mag sich nach der Entlassung Müllers vielleicht nicht ganz wohl fühlen in seiner Haut ...









Sonntag, 18. Juni 2017

Fronleichnam oder Folklore?

Heute geraten wir unversehens in eine (nachgeholte) Fronleichnamsprozession in Schlehdorf am Kochelsee.




Schön und farbenprächtig, hat fast was Folkloristisches. Aber hier ist es nicht schiere Folklore, hier ist es noch "echt". Es wirkt zumindest so.

Jesus Christus wird in Gestalt einer Hostie in einer Monstranz durch den Ort getragen? Wenn es nur nicht so magisch-verdinglicht gesehen würde! Als ob Gott in einer Hostie mehr präsent wäre als sonst in seiner Schöpfung. Man spricht vom "Allerheiligsten", aber: Was ist das Aller-heiligste, wenn Gott doch schon als heilig bezeichnet wird?

Sollte man nicht eine Prozession ohne Hostie und ohne Monstranz veranstalten mit dem Gedanken, die Präsenz Christi und die Präsenz Gottes zu feiern. Einfach so. Seine Präsenz in allem, was ist! Dann könnte ich mich auch wieder beteiligen ...













Sonntag, 4. Juni 2017

Pfingsten, das liebliche Fest?

Hier eine zwar lange, aber doch lesenswerte Pfingstpredigt.

Pfingsten hat mit Loslassen zu tun, ein guter Gedanke. Nur wenn ich Altes loslasse, alte Vorstellungen und Erwartungen, kann Neues kommen. Das ist zum Beispiel die Erfahrung von Menschen, die Zen-Meditation üben. "Leib und Seele sind mir ausgefallen", hat ein Zen-Meister nach seiner ersten großen Erleuchtungserfahrung gerufen. Er hatte losgelassen, letztlich sein Ego, sich selbst.

Ähnliches mag den Anhängern Jesu widerfahren sein. Sie hatten sich 50 Tage nach Ostern zu einem jüdischen Fest versammelt, hatten den Tod Jesu nun innerlich angenommen, hatten endlich akzeptieren können, dass er es nicht als seine Aufgabe gesehen hatte, Israel aus der Hand der römischen Besatzer zu befreien, sondern dass er einen schmachvollen Tod gestorben war, sie hatten wohl ihren Schockzustand überwunden. Und da war nun Platz für eine neue Erfahrung, für das "Kommen des Geistes", wie ihre Erfahrung umschrieben wird.

Ein "liebliches Fest" im Goetheschen Sinne ist Pfingsten mit Sicherheit nicht.

Im Katholizismus hingegen wurde der "Geist", der "heilige Geist", wie so vieles andere auch, verdinglicht. Jesus habe den Geist gesandt, und dieser Geist, so die unterschwellige Haltung, werde es dann schon richten, er werde zum Beispiel dafür sorgen, dass der richtige Papst gewählt wird u.v.a.m. Die Kirche, gerade sie, müsste loslassen, müsste ihre Glaubenssätze und frommen Konstruktionen loslassen. Erst dann kann Pfingsten kommen, kann Pfingsten sein.

Pfingsten ist kein einmaliges Erlebnis, vor 2000 Jahren schon dagewesen und erledigt. Pfingsten ist ein fortwährender Prozess, der jeden einzelnen betrifft.












Freitag, 2. Juni 2017

Woran glaubst du?

"Ich glaube an Gott, der die Liebe und Güte ist ..., und woran glaubst du?", so wurde ich kürzlich auf Twitter gefragt.

Was soll ich antworten? Nichts leichter als das. Selbstverständlich glaube ich auch an Gott. Und doch habe ich mit der Antwort gezögert und zögere immer noch? Was glaube ich wirklich?

Glauben wir, mich eingeschlossen, nicht alle - die meisten wenigstens - an einen anthropomorph konstruierten Gott? Eckhart Tolle, der weltbekannte Mystiker unserer Zeit, will das Wort "Gott" vermeiden, denn wenn wir "Gott" sagen, dann impliziert das bereits ein Gegenüber, eine Person, eine Wesenheit, einen Geist oder was auch immer, der außerhalb von uns ist, getrennt von uns, den wir damit ansprechen, den wir anbeten und verehren wollen. Aber Gott ist kein Gegenüber, Eckhart Tolle wird nicht müde, das zu betonen. Er schlägt vor, statt dessen das Wort "Sein" zu verwenden, unter dem man sich nur schwer etwas vorstellen kann. Gott ist so sehr mit seiner Schöpfung verwoben, dass eine Trennung nicht möglich ist.

Chuang Tzu sagt: Wenn einer nach dem Tao fragt und ein anderer antwortet ihm, dann wissen sie es beide nicht. Gleiches gilt von Gott. 

Um ein Wort von Willigis Jäger abzuwandeln: Gott will nicht geglaubt werden, er will gelebt werden, denn ER und ich sind EINS. So wie die Welle und das Meer EINS sind.

Sehr gut gefallen mir folgende Gedanken: "Der Ganzheit ist es gleich, durch welche Form sie erblüht. Sie sucht nur die Öffnung, durch welche sie erblühen kann. Es ist nicht so, dass die Form auf irgendeine Weise besonders ist. Das Gegenteil ist wahr: Durch die Erkenntnis der Nichtheit dieser Form, ihrer Nichtigkeit, ihrer Nicht-Besonderheit, kommt plötzlich, wo eine Form gewesen war, eine Transparenz. Es ist die Bestimmung der Form, dafür transparent zu werden [...] Gott kennt Personen nicht einmal. Gott will durch die Öffnungen gehen ... Es hält Ausschau - das ist nun bildlich gesprochen - es ist wie ein Licht, das leuchtet und Ausschau hält, wo das Loch ist, durch das es scheinen kann [...].
[aus: Eckhart Tolle Sri Aurobindo. Ein neues Denken.Ein neuer Mensch.Eine neue Welt. Aquamarin Verlag]

Was glaube ich nun wirklich?

Die Antwort muss noch eine Zeitlang warten, so lange, bis ich dafür transparent genug bin.